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Elisabeth Mann Borgese zum 100. Geburtstag

Sie war die jüngste Tochter von Thomas und Katja Mann, sie wurde bekannt als Publizistin, engagierte Aktivistin und authentische Stimme ihrer Familiengeschichte. Am 24. April 2018 feiern wir ihren 100. Geburtstag mit einem Auszug aus dem Porträt von Karolina Kühn in der »Neuen Rundschau«.

Elisabeth Mann Borgese
© © Barbara Klemm

»Es kommen jetzt, sonderbarerweise, viele Dings [!] aus Deutschland auf mich zu – als ob man ploetzlich entdeckt haette, ›dass es mich gibt‹!« So schrieb Elisabeth Mann Borgese, das fünfte der sechs Kinder von Katia und Thomas Mann, 1995 etwas verwundert in einem Brief. Einer breiten deutschen Öffentlichkeit war sie zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Lange hatte sie sich nicht vor Publikum zu ihrer Herkunft äußern wollen. Nach dem Tod des Bruders Golo Mann war sie jedoch die Letzte der Familie, die Auskunft geben konnte, und wurde zur Sprecherin der Erbengemeinschaft. 2001, kurz vor ihrem Tod, wurde sie dann in Deutschland berühmt – ihr humorvoll-bescheidener Kommentar der Familiengeschichte in dem Doku-Drama Die Manns – Ein Jahrhundertroman ist vielen im Gedächtnis geblieben. Sie konstatierte angesichts des Rummels um ihre Person jedoch schlichtweg: »Mir scheint, die Deutschen sind ein bißchen uebergeschnappt«.

»Dass es sie gibt«, wussten sicherlich viele: Seerechtler, Umweltschützer oder Meereswissenschaftler. Als Aktivistin, Autorin, Lehrerin und Wissenschaftlerin hatte sie über dreißig Jahre lang für die Erforschung der Meere, eine gerechte Ressourcenverteilung und den Erhalt der Meere als ökologisches System gekämpft. Als Frau unter Männern hatte sie in interdisziplinären Thinktanks mitgearbeitet und das Seerecht maßgeblich beeinflusst, als Professorin für politische Wissenschaften ihr Wissen international weitergegeben – und das, ohne jemals eine offizielle akademische Qualifikation erreicht zu haben. Ihr politisches und wissenschaftliches Denken war ganzheitlich und global. Bereits in den Siebzigerjahren kämpfte sie für Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Im Zentrum standen dabei der Mensch und seine Verantwortung für die Welt, in der er lebt: »Wie wir unsere Umwelt zerstören, zerstören wir uns selber.« Als deutsche, tschechoslowakische, amerikanische und schließlich kanadische Staatsbürgerin hatte sie ab 1933 in verschiedenen Ländern und auf mehreren Kontinenten gelebt und fühlte sich als Weltbürgerin. Ihr Zuhause hatte die »Botschafterin der Meere« in Sambro Head, einem kleinen Fischerdorf in der Nähe von Halifax gefunden.

Zum 100. Geburtstag wirft dieses Porträt Schlaglichter auf wichtige Gründe ihres Wirkens – persönliche, politische und zeitgeschichtliche. Wie also kam es, dass die jüngste Tochter von Katia und Thomas Mann, deren einzige akademische Ausbildung ein Klavier-Lehrdiplom war, in Chicago ab 1946 am Projekt einer Weltverfassung mitarbeitete? Dass sie bei der UN-Seerechtskonferenz dafür kämpfte, dass die Ressourcen der Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit deklariert wurden, und schließlich Professorin an der Dalhousie Universität im kanadischen Halifax wurde? Sie selbst beantwortete die Frage nach der Verbindung ihrer politischen Arbeit mit der Musik gerne mit: »meine Spezialität ist die Harmonie«. Ihre Unabhängigkeit vom Elternhaus hatte sie jedoch mit großer Willenskraft durchgesetzt, hatte Utopien vor dem Hintergrund des Faschismus verteidigt, sich autodidaktisch politikwissenschaftlich gebildet und sich schließlich entschieden für ihre Vorstellungen von globaler und intergenerationeller Gerechtigkeit eingesetzt. Während in Kulturkreisen das Bild der Familienchronistin überwiegt, ist ihr Wirken in den Fachkreisen der Meeresforscher heute bekannt und geachtet, ihre Konzepte werden von Umweltjuristen diskutiert und weiterentwickelt.

Auszug aus »Der Meeresraum ist eine neue Welt«, erschienen in »Neue Rundschau« Heft 1/2018

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