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Was darf Krieg in Zeiten der Satire?

Krieg und Humor – das passt nun wirklich nicht zusammen! Oder doch? Der Journalist und Satiriker Tim Wolff macht sich Gedanken über Komik in Zeiten, in denen einem nicht nach Lachen zumute ist.

Autorenportrait von Tim Wolff. Er schaut freundlich in die Kamera und trögt einen grauen Reißverschluss-Pullover unter einer dunkelgrauen Jacke.
© Jakob Wolff

Vergeht einem jetzt nicht das Lachen? Darf man jetzt noch witzig sein? Was sind die Grenzen der Satire? – das sind so Fragen, die einem gestellt werden, wenn man als Satiriker, komischer Autor oder ähnliches gilt, wenn es mal wieder noch ernster in der Welt zugeht. Meine Antworten darauf lauten (in diesem Moment): Ja und nein. Aber sicher. Und: Keine Ahnung, wozu muss man die festlegen; wenn nicht, um Satire, die im Kern aus der Überzeichnung der wahrgenommenen Realität besteht, generell unmöglich zu machen?

An dieser Stelle könnte dieser Text zu Ende sein. Denn zur Praxis des Humors gibt es in Friedens- wie in Kriegszeiten eigentlich nicht so viel mehr zu sagen als: Wenn Sie welchen haben, begeben Sie sich als Trost, zur Erholung oder einfach ohne Rechtfertigung auf die Lustsuche, die Komik ist. Und wenn Sie keinen haben, dann machen Sie, womit Sie eben die Unbillen des Daseins bewältigen: den Hund streng angucken oder die Käfersammlung neu pinnen, oder was immer humorlose Menschen in ihrer Freizeit tun; ich weiß es nicht.

(Kleiner Zusatzhinweis: Menschen können auch beides sein, humorvoll wie humorlos. Je nach Lebensabschnitt, Tagesform oder akuter Betroffenheit. Menschen sind ohnehin viel komplexer oder zumindest fluider in ihren Charakteristiken, als es jede menschliche Erzählung wünscht und vortäuscht. Jeder Text hat eine:n Schöpfer:in – mal strenger, mal lockerer in der Konstruktion – die reale Welt, der Homo sapiens, hat so etwas nicht. Es sei denn, man glaubt ganz fest an so etwas, aber selbst dann ist da noch so viel Verhandlungsmasse zwischen den Glaubenden, dass die Wirklichkeit weniger stringent bleibt als jede Erzählung von ihr. Will sagen: Nur weil jemand mehr als ein paarmal andere öffentlich zum Lachen gebracht hat, ist er nicht nur dies, ein Scherzkeks. Und eventuell ist der- oder diejenige gar nicht mal kompetent darin zu sagen, was wann lustig ist, weil Komik zwischen Sender:in und Empfänger:in stattfindet und die komischsten Leute womöglich Teil ihres eigenen Publikums sind, also gar nicht so genau wissen, wieso ihre Worte und Gesten Lachen auslösen, aber selbst auch über sie lachen müssen. Komik kennt Techniken der Witzfindung und -präsentation, aber das erschütterndste Lachen kommt aus psychischen Tiefen, in die man vielleicht gar nicht zu aufmerksam vordringen sollte, zumindest, wenn man die Komik erhalten will. Man kann auch, wie Hannah Gadsby in »Nanette«, sagen: Komik ist Teil des Problems, weil sie Verletzungen einfriert, und dabei feststellen, dass Komik aber wiederum auch ein Mittel ist, sich von diesen eingefrorenen Verletzungen zu befreien. Komik ist ein Pudding, und die Frage nach den Grenzen der Nagel, mit dem man ihn an die Wand zu bekommen versucht. Oder anders: Der Versuch, Komik umfassend zu verstehen und damit festzulegen, ist circa so ergiebig wie einen Pudding in Psychotherapie zu schicken.)

Der Text könnte also hier zu Ende sein, ist er aber nicht. 1. weil ich das Honorar erst ab einer gewissen Zeichenzahl bekomme und 2. es mich dann doch wieder ärgert, dass der Ernst so selbstverständlich triumphiert, dass er nebenbei noch die Zeit findet, den Unernst für seine Existenz zu tadeln.

Aus diesen so häufig wiederholten Fragen – Vergeht einem jetzt nicht das Lachen? Darf man jetzt noch witzig sein? Was sind die Grenzen der Satire? – spricht nämlich eine Haltung, tritt ein kultureller Reflex hervor, der mir nicht einleuchtet: Ernst muss noch mehr Ernst hervorbringen. Irgendwann muss Schluss mit lustig sein! Lachen ist eine Ausschweifung und Verletzung des Sittlichen zugleich und bedarf deswegen einer Rechtfertigung. Warum? Sind es nicht gerade die todernsten Menschen, die alles Leid hervorbringen? Wieso dürfen die Text über Text produzieren, über Wohl und Wehe von Unternehmen, Gesellschaften, ja: der Weltläufe bestimmen? Wären nicht Grenzen des Ernstmachens viel wichtiger? Klar, Komik ist nicht unproblematisch, reproduziert auch Hässliches, Verletzendes, manchmal gar Traumatisches – aber wer produziert das, was da reproduziert wird? Wieviel Humor besitzen Männer wie Putin, wieviel Selbstironie? Wann hat der Mann je anders gelacht als aus Selbstvergewisserung, Herablassung oder Schadenfreude? Wenn Putin so etwas wie Humor besäße, hätte er es dann nötig, nach imperialer Größe zu streben – und ein Land mit einem Komiker an der Staatsspitze zu überfallen? 

Das ist natürlich nicht gerade übertrieben komplex argumentiert, ist aber eben ungefähr so reflektiert wie die Frage nach den Grenzen der Satire in Kriegszeiten. Kriegszeiten sind Zeiten der Simplifizierung aller Diskurse, deswegen schließe ich diesen Text pathetisch: Hört auf, ständig ernst sein zu wollen! Es sind wirklich nicht die passenden Zeiten dafür.

Tim Wolff, geboren 1978, ist Satiriker und Journalist. Von 2013 bis 2018 war er Chefredakteur der Satirezeitschrift »Titanic« und veröffentlichte Texte unter anderem im »Mannheimer Morgen«, der »taz«, für »Neues Deutschland« und »Konkret«. Heute ist er Autor für das ZDF Magazin Royal von Jan Böhmermann. Er lebt in Frankfurt am ...

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