Extras

Wir haben eine Superpower

»Extinction Rebellion« ist eine Bewegung, die in England entstanden ist. Doch ihr Anliegen macht nicht vor Ländergrenzen Halt, denn es geht um die existenzielle Krise, die alle Lebewesen der Erde betrifft: das Artensterben, die Klimakrise. Hier beschreibt Emily Völker, was wir nicht länger ignorieren können, benennt den Schmerz, der darin liegt und was uns nun zusammenschweißt. »WANN WENN NICHT WIR*. Ein Extinction Rebellion Handbuch«, erscheint am 04. September.

Die Natur macht keine Kompromisse: Wenn wir das 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten können, schlittern wir in eine schier unbremsbare und irreversible globale Erwärmung, die uns und alles Leben auf diesem Planeten existentiell bedroht. Uns bleiben noch circa zehn Jahre, um das Schlimmste zu verhindern.
Mein Name ist Emily Claire Völker und ich bin heute hier als eine Mutter von Parents for Future.

Und eigentlich bin ich ganz normal - keine Aktivistin oder so, und ich halte normalerweise auch keine Reden.

Aber nach dem IPCC-Bericht,

nach dem Dürresommer,

nach den Nachrichten vom Massenaussterben,

nach den Meldungen, dass die Ozeane kurz vorm Kippen sind...

(diese Liste lässt sich endlos fortsetzen)

… habe ich gemerkt, dass es einfach nicht reicht, alleine vor sich hin zu wursteln. Den individuellen Kampf gegen den eigenen CO2-Abdruck kann man gar nicht gewinnen, solange die Infrastruktur dafür nicht gegeben ist. Politisches Handeln ist jetzt gefordert!

Ich kann nicht fassen, dass die Realität der Klimakrise, besonders nach dem IPCC-Bericht, nicht wie eine Bombe bei der Politik und den Entscheidungsträgern eingeschlagen ist, und dass immer noch nicht alle gemeinsam an einem Strang ziehen, um den drohenden Kollaps irgendwie in den Griff zu kriegen.

Und nun stehe ich hier und frage mich: Was ist der Unterschied? Was ist der Unterschied zwischen uns hier auf dem Platz – uns, die wir lautstark nach einer Wende in der Klimapolitik verlangen, die wir Schulen bestreiken und uns notfalls sogar verhaften lassen – und den Politikern in den Gebäuden da drüben, deren Job es eigentlich ist, sich dieser Bedrohung anzunehmen? Warum zieht keiner die Notbremse? Und warum macht der Großteil der Bevölkerung einfach weiter wie bisher?

Natürlich spielen Lobbyinteressen und Geld eine Rolle – aber jedem sollte eigentlich klar sein, dass man Geld nicht atmen oder essen kann.

Eine größere Rolle spielt aber vielleicht, dass das Konzept der globalen Erwärmung traumatisierend ist. Daran zu denken tut weh, besonders wenn wir uns der ganzen Wahrheit stellen. Deshalb entscheiden sich immer noch die meisten Menschen dazu, die Realität der Klimakatastrophe auszublenden.

Aber wir hier haben das Gegenteil getan.

Wir haben uns dieser Herausforderung gestellt.

Die Anerkennung der Realität der Klimakrise in all ihren Aspekten ist ein schmerzhafter Prozess. Ich kenne viele Leute, denen es deswegen irre schlecht geht, wenn sie morgens aufwachen. Ich glaube, das ist etwas, was uns hier vereint.

Es war von Euch allen eine unglaublich mutige Entscheidung, die Herausforderung und den Schmerz über den drohenden Verlust unserer Zukunft anzunehmen. Das verlangt Mut, das traut sich nicht jeder.

Aber genau darin liegt auch unsere Superpower:

Gerade weil wir emotional begriffen haben, was auf dem Spiel steht, können wir mit der notwendigen Kraft aktiv werden und gemeinsam eine Solidarität und unglaubliche Stärke entwickeln.

Wir handeln aus Liebe zu etwas, das in der Zukunft liegt: nämlich diesen unglaublich schönen Planeten noch für unsere Kinder und Enkel und alle Lebewesen zu erhalten.

Wir müssen uns also immer wieder gegenseitig den Rücken stärken in dem Wissen um unsere gemeinsame Motivation, unsere gemeinsame Hoffnung und unseren gemeinsamen Schmerz.

Denn wir werden Ausdauer brauchen für die riesige Aufgabe, die vor uns liegt: nämlich weiter die Gesellschaft wachzurütteln, bis endlich die Klimakrise weltweit als solche anerkannt und von Entscheidungsträgern entsprechend gehandelt wird.

Danke, dass Ihr hier seid, und Euch weigert, das Versagen der Politik zu akzeptieren. Danke, dass Ihr durch Euer Handeln auch für die Zukunft meiner beiden noch sehr kleinen Kinder einsteht - das meine ich aus ganzem Herzen. Danke an jede einzelne Person hier.

Ich freue mich, dass wir hier sind, ich freue mich, dass wir jeden Tag mehr werden – und ich weiß, dass das hier erst der Anfang ist.