Am darauffolgenden Tag findet der Press Call statt. Hier kommen ganz unterschiedliche und inspirierende Menschen zu Wort, wie z. B. Jung Chang, eine chinesische Literatin, deren Texte schon in über vierzig Sprachen übersetzt wurden, Joko Pinurbo, ein großer indonesischer Lyriker, der uns aus seinem Tagebuch »Exercises for Sleeping« vorliest, oder Sakdiyah Ma‘ruf, einen wahre Stimmungskanone, die es wie keine andere versteht, Humor und Feminismus unter einen Hijab zu bringen. Auch Pierre Coffin spricht in dieser Runde.
Dann öffnet das Festival auch endlich offiziell seine Tore. Im Media Center treffen wir uns zur morgendlichen Vorbereitung und besprechen, wer welche Autoren betreut und diese zu ihren Interviews begleitet. Als an Tag drei der australische Biologe und S. Fischer-Autor Tim Flannery auf dem Programm steht, reiße ich mir seine Session natürlich sofort unter den Nagel. Gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion eile ich zum Veranstaltungsgelände, um gespannt zuzuhören, wie Tim über sein neustes Buch und die Plastikverschmutzung unserer Weltmeere referiert. Nach dem er die Bücher seiner Fans signiert und deren Fragen beantwortet hat, darf ich ihn zu seinen Interviews begleiten. Als er mich nach meinem Herkunftsland fragt, kommen wir ins Gespräch über seine Publikationen bei S. Fischer und er erzählt mir von einer wunderbaren Lesereise die er vor ein paar Jahren mit unserem ehemaligen Programmgeschäftsführer Peter Sillem erlebt hat.
Es ist neun Uhr morgens und auf den Straßen Ubuds herrscht schon seit Stunden hektisches Treiben. Marktverkäufer bieten ihre Ware feil, Taxifahrer hocken rauchend am Straßenrand und versuchen Touristen zu ihrem Ziel zu bringen, während Straßenhunde schnüffelnd die kleinen Opfergaben nach Essensresten absuchen. Mit dem Roller dauert es nur einige Minuten und man kommt aus dem Trubel an einen komplett anderen Ort.
Im Herzen Balis, mitten im Dschungel, treffen sich nun schon zum vierzehnten Mal Literaturfreunde, Autoren und Kulturbegeisterte aus aller Welt, um gemeinsam zu lesen, zu diskutieren und sich auszutauschen. Und ich habe einen begehrten Praktikumsplatz ergattern können, im Team Internationale Medien werde ich mich um Pressevertreter aus aller Welt kümmern, Interviews organisieren und dafür sorgen, dass Journalisten und Autoren zusammenfinden. Die Stimmung auf der Insel ist etwas gemischt, der Vulkan Mt. Agung brodelt seit September, doch alle Festivalbesucher und Mitarbeiter sind optimistisch. Autoren wie Tim Flannery, NH Dini oder Jung Chang erzählen von ihren Inspirationsquellen und Musen, Geschichten und Erkenntnissen, während indonesische Künstler ihr Können zeigen.
Das Festival eröffnet eine Gala, für die ich mich in feinsten balinesischen Zwirn werfe, zwei traditionelle Tänze bewundern darf und tausend Hände schüttele. Anschließend stehe ich am Straßenrand und unterhalte mich mit Pierre Coffin, einem französisch-indonesischen Regisseur und außerdem der Stimmgeber der Minions aus dem bekannten Animationsfilm »Ich – Einfach unverbesserlich«, über Essen, Reisen und schmutzige indonesische Wörter. Der Tag war lang, das Essen fettig und ich bin überglücklich.