Hinter den Kulissen

Eine literarische Opfergabe, die Vulkane besänftigt

Ende Oktober öffnete Südostasiens größtes Literaturfestival, das Ubud Writers & Readers Festival auf der Insel Bali, zum vierzehnten Mal seine Tore. Vor Ort berichtet unsere ehemalige Auszubildende Leonie Kress von spannenden Lesungen, großartigen Künstlern und einem Festival, dass es geschafft hat, einen brodelnden Vulkan von Alarmstufe sechs auf Stufe drei zu senken.

Ubud Writers & Readers Festival 2017
© Wirasathya Darmaja

Es ist neun Uhr morgens und auf den Straßen Ubuds herrscht schon seit Stunden hektisches Treiben. Marktverkäufer bieten ihre Ware feil, Taxifahrer hocken rauchend am Straßenrand und versuchen Touristen zu ihrem Ziel zu bringen, während Straßenhunde schnüffelnd die kleinen Opfergaben nach Essensresten absuchen. Mit dem Roller dauert es nur einige Minuten und man kommt aus dem Trubel an einen komplett anderen Ort.

Im Herzen Balis, mitten im Dschungel, treffen sich nun schon zum vierzehnten Mal Literaturfreunde, Autoren und Kulturbegeisterte aus aller Welt, um gemeinsam zu lesen, zu diskutieren und sich auszutauschen. Und ich habe einen begehrten Praktikumsplatz ergattern können, im Team Internationale Medien werde ich mich um Pressevertreter aus aller Welt kümmern, Interviews organisieren und dafür sorgen, dass Journalisten und Autoren zusammenfinden. Die Stimmung auf der Insel ist etwas gemischt, der Vulkan Mt. Agung brodelt seit September, doch alle Festivalbesucher und Mitarbeiter sind optimistisch. Autoren wie Tim Flannery, NH Dini oder Jung Chang erzählen von ihren Inspirationsquellen und Musen, Geschichten und Erkenntnissen, während indonesische Künstler ihr Können zeigen.

Das Festival eröffnet eine Gala, für die ich mich in feinsten balinesischen Zwirn werfe, zwei traditionelle Tänze bewundern darf und tausend Hände schüttele. Anschließend stehe ich am Straßenrand und unterhalte mich mit Pierre Coffin, einem französisch-indonesischen Regisseur und außerdem der Stimmgeber der Minions aus dem bekannten Animationsfilm »Ich – Einfach unverbesserlich«, über Essen, Reisen und schmutzige indonesische Wörter. Der Tag war lang, das Essen fettig und ich bin überglücklich.
 

Ubud Writers & Readers Festival 2017
Anggara Mahendra

Am darauffolgenden Tag findet der Press Call statt. Hier kommen ganz unterschiedliche und inspirierende Menschen zu Wort, wie z. B. Jung Chang, eine chinesische Literatin, deren Texte schon in über vierzig Sprachen übersetzt wurden, Joko Pinurbo, ein großer indonesischer Lyriker, der uns aus seinem Tagebuch »Exercises for Sleeping« vorliest, oder Sakdiyah Ma‘ruf, einen wahre Stimmungskanone, die es wie keine andere versteht, Humor und Feminismus unter einen Hijab zu bringen. Auch Pierre Coffin spricht in dieser Runde.

Dann öffnet das Festival auch endlich offiziell seine Tore. Im Media Center treffen wir uns zur morgendlichen Vorbereitung und besprechen, wer welche Autoren betreut und diese zu ihren Interviews begleitet. Als an Tag drei der australische Biologe und S. Fischer-Autor Tim Flannery auf dem Programm steht, reiße ich mir seine Session natürlich sofort unter den Nagel. Gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion eile ich zum Veranstaltungsgelände, um gespannt zuzuhören, wie Tim über sein neustes Buch und die Plastikverschmutzung unserer Weltmeere referiert. Nach dem er die Bücher seiner Fans signiert und deren Fragen beantwortet hat, darf ich ihn zu seinen Interviews begleiten. Als er mich nach meinem Herkunftsland fragt, kommen wir ins Gespräch über seine Publikationen bei S. Fischer und er erzählt mir von einer wunderbaren Lesereise die er vor ein paar Jahren mit unserem ehemaligen Programmgeschäftsführer Peter Sillem erlebt hat.

Ubud Writers & Readers Festival 2017
Stanny Angga

Tim hält noch schnell zwei, drei Interviews und verneint meine Frage, ob er weiß, wie er wieder zurück zum Festivalgelände kommt. Und so endet meine Erfahrung damit, dass ich Tim Flannery auf meinem Roller zurückkutschiere und er sich mit einem lässigen fist bump bei mir bedankt. 

Die Besucher des Festivals sind eine bunte Mischung verschiedenster Menschen. Da sind die Literaturfreunde, die von A-Z schon alles gelesen haben, junge Bücherwürmer, die nur darauf warten, die nächste Geschichte verschlingen zu können, aber auch Urlauber, die gerade zur richtigen Zeit, wenn man die drohende Explosion des Vulkans mal außer Acht lässt, auf die Insel gereist sind, um an diesem Spektakel teilhaben zu können.

Jeder einzelne Tag des Festivals war für mich eine wunderbare Erfahrung. Ich habe gelernt, meine Fähigkeiten als Autorendompteurin zu verbessern, standesgemäß Reis mit den Händen zu essen und dass die indonesische Literaturszene auf keinen Fall hinter den Rand der Erdkugel fallen sollte. Dieses Land, seine Menschen und Literatur, bieten eine unglaubliche Diversität und Fülle an Poesie, Erfahrungen und kulturellem Reichtum, die es zu entdecken gilt.

Vielen Dank, dass ich in diesem Jahr Teil dieses Spektakels sein durfte!

Terima Kasih dan sampai jumpa tahun depan, UWRF!