Bis wir zu einem Gewürzhändler kamen und Farben und Gewürze bestaunen konnten, von denen wir noch nie etwas gehört hatten. Das teuerste war in Phiolen an der Wand hinter der Theke ausgestellt: Safran in einem tiefen Rot. Berührte man ihn mit dem Finger, konnte man damit eine ganze Buchseite in Scharlach färben. Der Besitzer war stolz – er stamme aus Afghanistan –, und da wurde es uns klar: All die Dinge in dem Laden, die getrockneten Zitronen, die an Schnüren aufgereihten Datteln, die Pistazien- und Pinienkerne in den Säcken, die Kräuter an der Decke, der Kardamom und der Senf, sie alle stammten von der andren Seite des Golfs, der verbotenen, abgeschnittenen, von Gewalt verheert und von Embargos isoliert. Die hölzernen Dschunken, die im Hafen dümpeln, von denen man früher die Perlen fischte und die heute immer noch den Golf überqueren, hatten diese Gewürze mitgebracht. Dieser kleine Laden in dem dunklen Suk war eine verborgene Tür zu einer verschlossenen Welt.
Schardscha, eine der Hauptstädte der Arabischen Emirate, ist eine merkwürdige Stadt. Vor 50 Jahren gab es hier am Persischen Golf eine Mauer, ein befestigtes Tor, den Landestreifen für die britischen Patrouillenflüge und ein paar Buden. Aber jetzt, 2013, sieht es aus, als ob man ein großes Stück von Manhattan um einen Meereslagune platziert hätte – was das Öl doch alles kann. Schardscha ist aber nicht Abu Dhabi, dessen Lichter in den dunklen Nächten herüberblitzen – hier geht das Geld schon einmal schneller aus, dunkle Wolkenkratzergerippe wurden aufgegeben, aber unten am Ufer wird der Rasen von den pakistanischen Arbeitern in hellorangen Overalls pünktlich gewässert. Und dann sieht man dort unter Palmen Vögel wie aus den Reiseberichten großer Orientfahrer: den Bulbus oder Hirtenstar, Mongrovenreiher, Wüstenhäher, Wiedehopfe. Und sie erinnern einen, dass man von einem Kap in der Nähe schon bis zum Iran sehen kann, den Irak spüren und, hinter ihm, Afghanistan. Oder gaukelt das Blau das einem nur vor?
Einen Nachmittag lang konnten wir uns aus den Konferenzen der hiesigen Buchmesse davonstehlen – gemeinsam mit einem niederländischer Verleger und einer Pariser Verlegerin, die einmal an Ausgrabungen bei Petra teilgenommen hatte und etwas Arabisch kann. Nach dem Museum fanden wir den dunklen Suk, wo man die Hinterlassenschaft der Kolonisatoren in Form von Helmen, alten Büchsen, Krokodilkiefern und Emblemen von Rommels Afrikakorps erwerben konnte. Oder Muscheln von den Korallenriffen und Perlen von den einst berühmten Perlenbänken des Golfs, die aber im Vergleich zu den Zuchtperlen aus dem Pazifik unscheinbar wirken. Alles war ein wenig geschrumpft, verstaubt und angestoßen – von der Geschichte übergangen, kurz vom Öl ins Licht gezerrt und wieder vergessen.