Beginnen wir mit dem Schluss. Die Stimmung beim Italiener im Westend lässt auf eine ereignisreiche zweitägige Ortsbegehung schließen, die hier bereits hinter uns lag. Links auf dem Foto ist Marlene Streeruwitz, rechts Oliver Vogel zu sehen. Der Autor dieses Textes sitzt halb von der Kamera verdeckt in der Mitte. Nelia Fehn, die junge Heldin in Marlene Streeruwitz' neuem Roman ›Nachkommen.‹, läuft zu dieser Uhrzeit längst einsam durch das nächtliche Frankfurt.
Am Abend zuvor, am 26. März 2014, ist Marlene Streeruwitz von Wien nach Frankfurt geflogen. Ich traf sie am Flughafen und wir fuhren, wie Nelia Fehn, mit der S-Bahn in die Innenstadt. Ein besonderes Lektorat lag vor uns, bei dem nicht in erster Linie Fragen des Stils oder der Orthographie im Zentrum standen, sondern die der Topographie Frankfurts, der Stadt, die im Roman eine zentrale Rolle spielt.
Ich hatte sämtliche Frankfurt-Stellen des Textes ausgedruckt und so einen Roman-Reiseführer durch die Stadt zusammengestellt. Nun standen wir auf dem Bahnhofsvorplatz. Hält der Blick dem stand, was der Roman verspricht? »In der Kaiserstraße. Die vollgestopften Auslagen. Billigläden. Uhren. Schmuck. Elektro. Elektronik. Kebab. Sushi. Chinesisch. Vietnamesisch. Casinos. Bäume. Straßencafés. Alle Leute liefen. Hatten es eilig. Riefen einander über die Straße zu. Sie eilte mit. Bog in die Elbestraße ein.« Wir folgten und überprüften Nelias Blick, die Casinos, Bäume und Straßencafés mussten in der ursprünglichen Fassung ergänzt werden, dafür sollte der folgende Satz gestrichen werden: »Die Wolkenkratzer bemerkte sie erst beim Abbiegen in die Elbestraß.«, denn allzu dominant sind die Hochhäuser des Bankenviertels aus dieser Perspektive, als dass man sie übersehen könnte.
Wie die Wirklichkeit der Fiktion standhält – Eine Frankfurter Ortsbegehung mit Marlene Streeruwitz