Hinter den Kulissen

Was liest Katharina Schmidt?

Bringt »Untenrum frei« Katharina Schmidt, freiberufliche Illustratorin und Designerin, zum Lachen oder Weinen? Welches Buch sollte bei der nächsten Berlinreise auf keinen Fall fehlen? Das verrät unsere Illustratorin im Lesefragebogen.

Liebe Katharina, was liest du gerade? 
Essays von Siri Hustvedt, »Leben, Denken, Schauen«. Ich folge gerne ihren spannenden Gedanken zu den immer wiederkehrenden Themen Erinnerung, Einfluss der Psychoanalyse auf die Kunst, wie funktionieren kreative Prozesse, warum müssen wir eigentlich schlafen.

Papier oder E-Reader? 
Papier.

Das letzte Buch, das du nicht bis zum Ende gelesen hast? 
Heinz Strunks neues Buch »Jürgen«. Das hat mich richtig geärgert, weil es in großen Teilen bloß eine Wiederholung seiner Romane »Fleisch ist mein Gemüse« bzw. »Fleckenteufel« darstellt. Wo ich ihn doch so gerne lese, da war ich wirklich enttäuscht und fühlte mich betrogen.

Das letzte Buch, das dich zum Lachen gebracht hat? 
Margarete Stokowskis »Untenrum frei«. Und sie schreibt nicht nur unterhaltsam und kurzweilig über Geschlechterfragen, Feminismus und wie Beziehungen heute überhaupt noch funktionieren können, sie ist dabei auch noch so persönlich, das macht das Buch schön plastisch aber eben auch lebendig.

Das letzte Buch, das dich zum Weinen gebracht hat? 
Joachim Meyerhoff, »Alle Toten fliegen hoch: Amerika«. So ein witziges, liebevolles Buch, zwischendrin überraschend heftige Passagen, wie sich dieser staunende empfindsame Junge in die Welt hinaus begibt und wie ausgeliefert er dem bunten Leben ist. Ein zauberhafter Coming-of-Age-Roman. 

Deine liebste Romanfigur? 
Die von Dorothy Sayers geschaffene unbestechliche und selbstbewusste Harriet Deborah Vane, die, und das dauert einige Romane, schließlich die Ehefrau von Lord Peter Wimsey wird. Die beiden leben eine durch und durch emanzipierte Beziehung. Und das schon in den 20er, 30er Jahren, sehr beeindruckend, dass diese unterhaltsamen Kriminalromane auch noch nebenbei gesellschaftskritisch sind.

Welches Buch empfiehlst Du für einen Städtetrip nach Berlin? 
Eugen Ruge, »In Zeiten des abnehmenden Lichts«

Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – hast du eins? 
Nein.

Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur du fandest es doof? 
Allgemein teile ich leider nicht die Begeisterung für Thriller, auch wenn ich es immer wieder versucht habe, mich verfolgen die in meinem Kopf erzeugten Bilder mitunter wochenlang und rauben mir den Schlaf.

Welches Buch sollte deiner Meinung nach jede und jeder gelesen haben? 
Didier Eribons »Rückkehr nach Reims«. Seine Schilderung, wie er sich von seiner Herkunftsfamilie entfernt hat, um einen für sich passenden Lebensentwurf zu leben. Dieser Drang nach Entwicklung und Entfaltung ist ein Akt, der Kraft kostet und Mut braucht und mitunter auch Schmerzen und Spaltung bringt. Eben einen Weg einzuschlagen, der schlicht nicht vorgesehen ist im heimatlichen Milieu. Und schließlich seine Gedanken zum Rechtsruck in Europa, gerade innerhalb des Proletariats.

Welches Buch hast du nie gelesen und wünschtest, du hättest es? 
Ich habe noch nie was von Charles Dickens gelesen und bin trotzdem der festen Überzeugung, seine Bücher würden mir sehr gefallen.

Zu welchem Buch kehrst du immer wieder zurück? 
Zu Tove Janssons »Mumins«. Da steht so viel drin, es geht um Liebe, Beziehungen, Nähe, Distanz, Familie, Individualität, Entwicklung, und die Zeichnungen sind natürlich überbordend phantasievoll und witzig, für mich als Illustratorin ist sie ein großes Vorbild.

Katharina Schmidt
© © Katrin Binner