Hinter den Kulissen

Was liest Lotte Laloire?

Von NZZ, Guardian und Co. über Bov Bjergs »Auerhaus« bis hin zu »Effi Briest« – Lotte Laloire, Volontärin in der Redaktion Weltalmanach, erzählt von ihren Lesekreis-Projekten, woran sie bislang scheiterte und wie ein E-Book ihren Griechenland-Urlaub rettete.

Was liest du gerade?
In der Weltalmanach-Redaktion lesen wir von der NZZ über den Guardian und das Handelsblatt alle möglichen Zeitungen. Privat lese und bespreche ich derzeit mit vier Freunden »Der Untertan« von Heinrich Mann. Während des Studiums haben wir uns vor allem kritische Theorie in Lesekreisen erarbeitet, jetzt dachten wir, wieso nicht mal einen Roman zusammen lesen? Außerdem lesen mein Freund und ich uns gegenseitig aus Robert Seethalers »Der Traffikant« vor. Für mich alleine habe ich gerade »Americanah« von Chimamanda Ngozi Adichie beendet und hänge ihr auch noch ein wenig hinterher. 

Liest du auf Papier oder auf einem E-Reader?
Definitiv auf Papier. Ich habe erst einmal ein E-Book gekauft und das war ein absoluter Notfall. Wir hatten uns im Urlaub in Griechenland – auch im Freundeskreis – gegenseitig »Athen, Paradiesstraße« von Sofka Zinovieff vorgelesen. Aber dann ist die Freundin, der das Buch gehörte, mit dem Buch in eine andere Richtung weitergereist und ich wäre vor Spannung fast geplatzt. Das E-Book hat mich gerettet. Ein Familiendrama, bei dem die Recherchen über den plötzlichen Tod eines Journalisten bis zurück in den griechischen Bürgerkrieg führen. 

Was war das letzte Buch, das du nicht bis zum Ende gelesen hast?
»Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie« von Karl Marx.

Was war das letzte Buch, das dich zum Lachen gebracht hat?
Das war an einem meiner ersten Arbeitstage bei Fischer. Da ich bei einer Betriebsversammlung im Konferenzsaal kaum jemanden kannte, habe ich aus Verlegenheit das erstbeste Buch aus dem Regal gezogen. Das war »Komme später, liege noch im Mett. Die lustigsten Autokorrektur-Fails«. Gerade als es leiser im Konferenzsaal wurde und der Vortrag losgehen sollte, musste ich laut loslachen. Das war echt peinlich.
Ansonsten finde ich depressive Männern, die viel Bier trinken und wenig mit der Welt zu tun haben wollen, oft witzig. So zum Beispiel der Typ aus Thees Uhlmanns »Sophia, der Tod und ich« oder der kunsthassende Kunststudent in Roko Schamonis »Sternstunden der Bedeutungslosigkeit«.

Was war das letzte Buch, das dich zum Weinen gebracht hat?
Das war Bov Bjergs »Auerhaus«. Aber nicht, weil die Geschichte von den Kids, die ihren Kumpel vom Selbstmord abhalten sollen und dabei den schönsten Sommer ihres Lebens miteinander verbringen, so »nostalgisch« ist. Das behaupten nur Rezensenten, die das Buch an »die fünf, sechs Minuten in ihrem eigenen Leben« erinnert, »in denen es ähnlich frei zuging« (Rezension in der WELT). Genau solche Leute bemitleidet die Auerhaus-Crew nämlich. Zum Beispiel den »Zentralverrieglungsaxel«, der mit seiner fetten Karre angibt und sein Leben später wohl in die Ordner »Birth – School – Work – Death« abheften kann. Solche Paradebeispiele gesellschaftlicher Tristesse sind auch die Gründe für Frieders Selbstmordversuch. Traurig hat es mich gemacht, da meine Kommilitonen ebenfalls auf die Frage nach dem Sinn des Lebens antworten könnten: »Das müssen wir nicht wissen, kommt in der Klausur nicht dran.« 

Was ist deine liebste Romanfigur? 
Mir fallen spontan nur Romanfiguren ein, die mich aufgeregt haben, wie der bindungsgestörte Universitätsprofessor François in Houellebecqs »Unterwerfung«, der durch plumpe, materielle Angebote, die ihm die Islamisten machen, verführbar scheint. Genauso die opportunistische Mae in »The Circle« oder die schwache Peri in Elif Shafaks »Der Geruch des Paradieses«. Am ehesten vielleicht Effi Briest. Sie lebt wenigstens ihre Bedürfnisse aus und trägt die Konsequenzen dafür. Das finde ich stabil.

Welches Buch empfiehlst du für einen Städtetrip nach Berlin?
Um nachzuschlagen, mit welchem Politiker man an der Bar des Adlon Whiskey trinkt oder wessen Limousine an einem vorbeirauscht, eignet sich womöglich der »Fischer Weltalmanach« ;-) Die Politiker-Biographien gibt es ja auch in der App, dann wird Reisegepäck auch nicht zu schwer.

Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – hast Du eins?
Vielleicht, dass ich pünktlich jedes Jahr an Weihnachten einen Martin Suter-Krimi verschlinge. Auch wenn es keine Weltliteratur ist, kann ich allen, gerade in der Verlagsbranche, nur wärmstens »Lila, Lila«, empfehlen. Das ist die Geschichte eines ganz normalen Typs, der in einem Möbelstück vom Flohmarkt das Manuskript für eine Liebesgeschichte findet. Um eine Frau zu beindrucken, gibt er es als seine eigene aus und sie schickt es heimlich an einen Frankfurter Verlag (welcher das wohl war?). Es wird ein Bestseller. Knall auf Fall verändert sich sein ganzes Leben und als Leserin wird man mitgerissen in einen Strudel aus Lügen, innerlichen Qualen und ein Versteckspiel vor dem wahren Autor des Manuskripts.

Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur Du fandest es doof?
Harry Potter, ich habe es nie über die ersten 100 Seiten geschafft, obwohl ich es auf Deutsch und Englisch versucht habe.

Welches Buch sollte Deiner Meinung nach jeder gelesen haben?
»Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie« von Karl Marx. 

Welches Buch hast Du nie gelesen und wünschtest, Du hättest es?
Den Koran, dafür muss ich aber erst noch Arabisch lernen.

Zu welchem Buch kehrst Du immer wieder zurück?
Sowas mache ich nicht. Dafür gibt es viel zu viele Bücher, die ich noch nicht kenne.

Lotte Laloire
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