Hinter den Kulissen

Was liest Paul Gilius?

Unser Kollege Paul Gilius aus der Herstellung wurde in Lepsy, Kasachstan geboren, wuchs in Kaiserslautern auf, studierte in Stuttgart und Amsterdam und wohnt jetzt in Frankfurt. Genauso abwechslungsreich wie er wohnt, liest er auch: Von Franz Kafka bis David Foster Wallace, »Der Herr der Fliegen« bis »Detailtypografie«, mit Zetteln beklebte Bücher, bis zur Ordnung des digitalen Lesens. Unser Lesefragebogen.

Lieber Paul, was liest du gerade?
Ich lese zunehmend parallel, um mir den Vorteil zu erhalten, bei Bedarf zwischen Themen und Geschichten zu wechseln. Zurzeit bin ich im Sachbuch-Modus: »Und plötzlich macht es klick« (Bas Kast), »Der fliegende Teppich« (Gert Scobel) und »Haben oder Sein« (Erich Fromm) nehme ich regelmäßig zur Hand und lasse mich von den Ideen und Erkenntnissen aus dem Alltag treiben. Dazwischen dann auch mal etwas Fiktion, das ist momentan aber selten.

Papier oder E-Reader?
Das Physische ist für mich mit Erlebnissen verknüpft. In meinen Büchern sind Zettel, Anmerkungen und Markierungen über das Werk verteilt. Das schafft räumlichen Kontext. Beim E-Reader ist das nicht möglich. Da ist alles flach auf dem Screen und die Darstellungen können gewechselt werden. Zur gezielten Suche eignet sich aber natürlich die digitale Version besser. – Zum Genusslesen also Papier. Zur Recherche und technischen Spielerei den E-Reader.

Was war das letzte Buch, das du nicht bis zum Ende gelesen hast?
»Der Herr der Fliegen« von William Golding hat mich nicht gepackt. Das kann aber auch an der mittlerweile alten Ausgabe und entsprechenden Übersetzung aus den 1980ern liegen. Im Sommer bekommt die Neuübersetzung aber eine Chance.

Was war das letzte Buch, das dich zum Lachen gebracht hat?
»Der Flug des Ikarus« von Raymond Queneau war ein wunderbares Stück humoristischer Erzählkunst und Plotentwicklung und hat mich innerlich hüpfen lassen.

Was war das letzte Buch, das dich zum Weinen gebracht hat?
»Der große Gatsby« von F. Scott Fitzgerald. Die Geschichte und die Weise, in der sie erzählt wurde hat mich im Innern getroffen und aufgewühlt.

Was ist deine liebste Romanfigur?
Eine explizite Figur kann ich hier nicht benennen. Es müsste eine sein, der etwas passiert, die sich von den Geschehnissen treiben lässt und seine Handlungen auf eine passive Rolle beschränkt. Etwas zwischen Salingers Holden Caulfield und Kafkas wiederkehrendem Charakter K. – Solchen Figuren kann alles passieren; das macht die Geschichten spannend. – Wenn ich mich entspannen möchte, reicht aber auch ein Ich-Erzähler wie Horst Evers oder Rafael Horzon (»Das weiße Buch«).

Welches Buch empfiehlst du für einen Städtetrip nach Stuttgart?
Ich besuche lieber Menschen statt Städte. In diesem Kontext kann ich »Unterwegs« von Jack Kerouac empfehlen. Seine Beschreibungen regen das Gefühl auszubrechen, in die Welt zu gehen und sie zu erleben.

Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – hast du eins?
Da gäbe es tatsächlich eines. Aber schämen müsste ich mich ja erst dafür, wenn jemand davon erfährt. 

Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur du fandest es doof?
»Feuchtgebiete« war so ein Phänomen. In der Bestsellerphase hatte ich dem zugehörigen Audiobuch eine Chance gegeben, die Geschichte kam mir jedoch zu flach vor und die seltsamen Szenen und Beschreibungen lenkten nur von der Grundidee ab. Es wirkte nicht plausibel und eher wie eine Provokation an die Medien. So gesehen: Ziel erreicht. Für mich war es aber wenig erhellend. 

Welches Buch sollte deiner Meinung nach jede und jeder gelesen haben?
– »Das Bildnis des Dorian Grey«,
– »1984«,
– »Die Einsamkeit der Primzahlen«,
– und die Alice-Bücher von Lewis Carroll

Welches Buch hast du nie gelesen und wünschtest, du hättest es?
Die »1000-Seiten und mehr«-Klassiker reizen mich. »Ulysses«, »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«, »Zettel’s Traum«, »Der Mann ohne Eigenschaften« – allen voran aber »Unendlicher Spaß« von Foster Wallace. Dafür brauche ich aber zusammenhängende Konzentration und mal ein halbes Jahr, in dem ich mich dafür einschließen kann.

Zu welchem Buch kehrst du immer wieder zurück?
Zum »Prozess« von Kafka und »Detailtypografie« von Forssmann und De Jong. – Das eine für den Zweifel, das andere für die Ordnung.

Paul Gilius
Paul Gilius