Lieber Robert, was liest du gerade?
Wie so oft lese ich parallel mehrere Bücher. Zwei fesseln mich gerade ganz besonders. Zum einen Jonathan Lethems ›Die Festung der Einsamkeit‹. Ein tolles Buch über Freundschaft, brüchige Familienbeziehungen und die Gesellschaft im Brooklyn der 1970er Jahre. Zum anderen Verena Lueken mit ›Alles zählt‹, ein ruhiger und tiefsinniger Text, der ein Rückblick auf das Leben der krebskranken Protagonistin ist, die Jetzt-Situation betrachtet und über Zuversicht und Hoffnung erzählt.
Liest du auf Papier oder auf einem E-Reader?
Ich wollte gerade direkt »Papier!« schreiben. Was beim privaten Lesen auch zutrifft. Aber seit ich mich in meiner Magisterarbeit mit digitalen Kunstbüchern/Kunstbänden beschäftigt habe, lese ich von Zeit zu Zeit auch mal ein Buch auf dem Tablet. Meist sind es dann aber doch Manuskripte oder Exposés.
Was war das letzte Buch, das du nicht bis zum Ende gelesen hast?
Navid Kermanis ›Dein Name‹ – 200 von den etwas mehr als 1.200 Seiten habe ich gelesen. Seitdem steht das Buch mahnend in meinem Bücherregal – und da steht es gut. Es hat nämlich einen schönen Umschlag!
Was war das letzte Buch, das dich zum Lachen gebracht hat?
Richtig zum Lachen gebracht hat mich in Paul Austers ›Winterjournal‹ die Stelle, an der er darüber schreibt, dass seine Frau Siri Hustvedt die Protokolle zu den Eigentümerversammlungen in ihrem Wohnhaus in Brooklyn geschrieben hat und er teilweise aus ihnen zitiert.
Was war das letzte Buch, das dich zum Weinen gebracht hat?
Es gibt bisher nur wenige Bücher, die das geschafft haben. Perihan Mağdens ›Ali und Ramazan‹ – eine Geschichte über zwei Waisenjungen, die in Istanbul leben, gemeinsam ums Überleben und ihre Liebe zueinander kämpfen, und dies alles in einer Gesellschaft, in der ihre Existenz mehr oder weniger nicht anerkannt wird –, dieses Buch schafft das immer wieder.
Was ist deine liebste Romanfigur?
Meine liebste Romanfigur ist der Vater der Schriftstellerin Lily Brett. Er taucht in vielen ihrer Romane und Essays auf und ist eine Person, die man einfach mögen muss.
Welches Buch empfiehlst du für einen Städtetrip nach New York?
Wenn es der erste Trip nach New York ist, dann empfehle ich das Buch zu Hause liegen zu lassen (außer man möchte während des Fluges lesen), denn man wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zum Lesen kommen, da man entweder etwas Aufregendes erlebt und unternimmt oder todmüde ins Bett fällt und Kraft für die kommenden Tage sammeln muss, an denen man definitiv auch nicht zum Lesen kommen wird. Ab der dritten Reise empfehle ich dann ein oder auch zwei Bücher in den Koffer zu legen, nicht, weil es etwa langweilig werden könnte, sondern weil es ab diesem Stadium auch Spaß machen kann, in einem New Yorker Café oder auf einer der zahlreichen Bänke in der Stadt zu sitzen und ein paar Seiten zu lesen. In den Koffer sollte dann ›Retter der Welt‹ von John Wray gepackt werden. Ein toller Roman über New York und einen verlorenen Protagonisten. Zu großen Teilen spielt die Geschichte in den U-Bahn-Stationen, in denen man vermutlich auch die ein oder andere Minute während seines Aufenthalts verbringen wird. Wenn im Koffer noch etwas Platz ist, dann sollte auch Jonathan Lethems ›Chronic City‹ eingepackt werden. Selten habe ich in einem Roman so treffende Metaphern für New York und seine Gesellschaft gelesen – und dann geht es auch noch um Freundschaft, was gibt es Besseres?! Und da es ein schmales Taschenbuch ist und im Handgepäck nicht auffallen wird: Lily Bretts Essays ›New York‹ – informativ, lustig und gleichzeitig nachdenklich (diese Mischung ist toll!). Und dann fällt mir noch… Gut, ich höre besser mal auf…
Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – hast du eins?
Nein, ich stehe zu dem, was ich gelesen habe. Selbst zu Titeln wie ›Ich bin gespannt wie gekochtes Gemüse‹ von Nathalie Licard, die ich in der Harald-Schmidt-Show immer sehr lustig fand und die in ihrem Buch über die ersten Jahre in Köln schreibt, nachdem sie aus Frankreich dorthin zog.
Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur du fandest es doof?
›Der Hals der Giraffe‹ von Judith Schalansky. Bis zur letzten Seite behielt ich die Hoffnung, dass ich mich der allgemeinen Begeisterung anschließen könnte – leider vergebens. Mein persönliches Trostpflaster sind die Zeichnungen im Buch, die haben mir sehr gut gefallen.
Welches Buch sollte Deiner Meinung nach jeder gelesen haben?
›Wie wir begehren‹ von Carolin Emcke sollte jeder – wirklich jeder – einmal gelesen haben. Sie schreibt anhand persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen darüber, wie wir das Begehren und das Begehren wiederum uns entdeckt. Gleichzeitig ist es ein Plädoyer für mehr Toleranz. Ich konnte es damals nicht mehr aus der Hand legen und war (und bin es immer noch) tief beeindruckt.
Welches Buch hast du nie gelesen und wünschtest, du hättest es?
Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben – vielleicht schaffe ich es irgendwann einmal alle sieben Bände von Marcel Prousts ›Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‹ zu lesen.
Zu welchem Buch kehrst du immer wieder zurück?
Bei Frage fünf klingt es schon kurz an – ›Ali und Ramazan‹.