Hinter den Kulissen

Was liest Simone Burdach?

In ihrer Wohnung füllen Hochhäuser aus Büchern die Ecken. Wenn sie ihre Lieblingsfigur nennen sollte, erhebt sich eine Demonstration anderer Romanfiguren... – Unsere Kollegin Simone Burdach gibt Auskunft in unserem Lese-Fragebogen.

Gab es ein Buch, das in dir den Wunsch geweckt hat, Verlagsvertreterin zu werden?
Bevor ich zu dieser Arbeit gekommen bin, war mir gar nicht klar, dass es sowas gibt: Vertreter.
1989 bin ich aus dem Osten in den Westen geflohen und in Kassel gelandet, dort hab ich in einer tollen Buchhandlung gearbeitet und mich sofort zuhause gefühlt. Und dann ging das los mit den Verlagsvertretern – meine Kolleginnen zogen ihre schönsten Kleider an, eine Aufregung legte sich in die Gesichter, und alles vibrierte. Als quasi-Neuling durfte ich mit den Azubis dabeisitzen bei diesen Gesprächen, mit diesen Leuten wie Henriette Fischer, die für Suhrkamp reiste, oder auch Renate Sudhoff, die für Fischer kam. Insofern ist es kein einzelnes Buch gewesen, das mich hierhin brachte, sondern vielleicht, wie diese Menschen über Bücher reden konnten.
 
Was liest du im Moment?
In meiner Wohnung stapeln sich an allen Ecken Bücher, Hochhäuser aus Büchern, die ich interessant finde und die irgendwann mal gelesen werden wollen. Wenn dafür Zeit bleibt, neben all den wichtigen Fischer-Büchern, die ich manchmal gar nicht zu Ende lese, weil es  nur einen Teil des Manuskripts gibt und mich etwas weitertreibt, es gibt ja immer irgendwas, das noch gelesen werden will.
Die Geschichten von Lydia Davis, die wir im Taschenbuch verlegen, liegen hier am Bett. Der tolle Thirlwell, der gerade erschienen ist, ist ausgelesen und schläft aber noch mit hier, Sebalds ›Die Ringe des Saturn‹ begegneten mir aus einem Grund, den ich nicht mehr weiß und wollten kurz wiedergelesen werden, und Jonathan Franzens ›Unschuld‹, das unbedingt gelesen werden will.
 
Welches Buch hast du kürzlich nicht bis zum Ende gelesen und warum?
Ich lese dauernd Bücher nicht bis zum Ende, was mich manchmal ganz fuchsig macht, siehe oben. Ich nenne die ganzen Manuskripte immer gern meinen süßen Brei, für den ich das Wort vergessen habe, um ihn am Überkochen zu hindern. 
Und gelegentlich ist es einfach zu viel von allem.
 
Liest du auf Papier oder auf einem E-Reader?
Ich lese auf meinem iPad, aber ich liebe es mehr, Bücher zu lesen, wahrscheinlich ist es deshalb hier so voll. Hallo, hallo – hört mich jemand?
 
Was war das letzte Buch, das dich zum Lachen gebracht hat?
Zuletzt laut losgelacht hab ich bei Joachim Meyerhoffs, ›Wann wird es wieder so, wie es nie war‹. Freue mich schon auf das neue Buch, das im November  erscheint.

Welche ist deine Lieblingsromanfigur und warum?
Unmöglich zu sagen. Wenn ich drüber nachdenke, eine herauszupicken, erhebt sich in meinem Kopf eine Demonstration der anderen.
 
Welche Lektüre empfiehlst du für einen Städtetrip nach Berlin?
Döblin, ›Berlin Alexanderplatz‹.
 
Welches Buch gelesen zu haben, ist dir peinlich?
Manchmal bin ich traurig, weil ich das Gefühl nicht loswerde, ich hätte das eine oder andere Buch nicht lesen sollen, das ist mir nicht peinlich – aber es ist vergeudete Zeit.
 
Welches Buch nicht gelesen zu haben, ist dir peinlich?
Peinlich ist mir  eigentlich nichts, aber ich sehe meine Lücken und Ahnungslosigkeiten.
 
Welche Bücher haben dich in letzter Zeit begeistert?
Ian McEwan, ›Kindeswohl‹
Karen Köhler, ›Wir haben Raketen geangelt‹
Peter Richter, ›89/90‹
Gregor Sander, ›Was gewesen wäre‹
Ilija Trojanow, ›Macht und Widerstand‹
Marilynne Robinson, ›Haus ohne Halt‹ und ›Lila‹
Mikis Wesensbitter, ›Wir hatten ja nüscht im Osten, nich ma Spaß‹