Interviews

Anke Buettner über Erika Mann

Zum 50. Todestag Erika Manns zeigt das Literaturarchiv Monacensia im Hildebrandhaus eine umfassende Ausstellung über die Schriftstellerin, Kabarettistin und Reporterin. Ein Gespräch mit Anke Buettner, der Leiterin der Monacensia im Hildebrandhaus.

Erika Mann
© Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Frau Buettner, Sie haben gerade erfolgreich eine Erika-Mann-Ausstellung in den Räumen der Monacensia eröffnet. Welchen Stellenwert hat Erika Mann für Ihr Archiv?

Mit den kompletten Nachlässen von Klaus und Erika Mann, über 800 Briefen und Manuskripten von Thomas Mann sowie zahlreichen Briefen, Manuskripten und Fotografien von Golo, Monika, Michael und Elisabeth Mann ist die Monacensia eine international gefragte Forschungsstelle zur Familie Mann. Durch eine Schenkung von Golo Mann kam 1972 der Nachlass seines Bruders Klaus und 1976 der Nachlass seiner Schwester Erika in den Besitz der Monacensia. Der literarische Nachlass von Erika Mann umfasst 48 Archivkassetten, darin enthalten sind rund 5640 Briefe, annähernd 600 Manuskripte, rund 100 biographische Dokumente und über 500 Fotos. Für dieses wertvolle kulturelle Erbe übernehmen wir natürlich Verantwortung. Deshalb haben wir aus dem Nachlass von Erika Mann bisher rund 30.000 Einzelseiten digitalisiert und unter www.monacensia-digital.de der Öffentlichkeit uneingeschränkt zur Einsicht und Recherche freigegeben. Das gleiche gilt übrigens für die Briefe, Manuskripte und biografischen Dokumente von Klaus Mann sowie für den Archivbestand Monika Mann.

Welche Akzente setzt die aktuelle Ausstellung?

Die Ausstellung selbst fokussiert Erika Manns politische Haltung zur Demokratie. Wir lassen sie selbst sprechen in ihrer Rolle als erste Frau, die ein literarisches Kabarett in Deutschland gründete und dafür Texte schrieb, als Kriegsberichterstatterin und einzige Frau, die sich in Mondorf den schlimmsten Kriegsverbrechern vor den Nürnberger Prozessen nähern konnte, und wir zeigen sie als politische Rednerin, die große Vorträge in den USA hielt. Ihre Rollen als Tochter, Schwester oder Nichte sind sozusagen nur kurze Stationen im Lebenslauf. 

Gibt es besondere Fundstücke, die in der Ausstellung zu entdecken sind?

Ich persönlich finde die Auszüge ihrer Gestapo- sowie ihrer FBI-Akte sehr interessant. Wer einmal verdächtig ist, ist es wohl immer...

Was ist aus Ihrer Sicht die Stärke einer guten Literaturausstellung? Sind solche Ausstellungen überhaupt noch zeitgemäß?
Literaturausstellungen sind dann zeitgemäß, wenn sie Spaß machen. Spaß ist bekanntlich subjektiv, Kommunikation wie Vermittlung sind ebenso ein recht vielschichtiges Feld. Kurz: Wir stellen uns Ihre Frage eigentlich auch sehr intensiv, sind aber naturgemäß pro Literaturausstellungen.

Eine Literaturausstellung darf, meiner Meinung nach, nicht in einem Personenkult verharren. Dieser Kult wird in der Regel nur von einem kleinen Publikumskreis mit, auch in der Regel, festen Meinungen gepflegt. Andere Menschen mit ihren vielen möglichen Zugängen zum Werk, zur Zeit oder zur Persönlichkeit einer Autorin oder eines Autors werden von diesen „Fans“ häufig an den Rand gedrängt. Dieses Besitzergreifen von Deutungen kann also eigentlich nicht im Sinne der Literatur sein. 

Entsprechend muss eine Literaturausstellung Fährten legen, die zum Beispiel junge Menschen locken einzusteigen, weil sie mit ihrem eigenen Leben zu tun haben. Bei Erika Mann, könnte das ihre Frauenrolle sein, die sie nun eher jenseits der Konventionen gelebt hat. Es könnte das Thema Bisexualität sein. Es könnte auch das Engagement für eine gerechte Welt und den Frieden sein. Beides, Gender und politisches Engagement, interessiert natürlich auch Erwachsene und die erleben die Ausstellung dann vielleicht jenseits ihrer gesellschaftlichen Komponenten als Einladung, sich mit den Texten Erika Manns, dem literarischen Schaffen der Familie Mann oder mit der Monacensia als literarisches Gedächtnis der Stadt und als Haus der Münchner Autorinnen und Autoren zu befassen. 

Eine Literaturausstellung darf nicht zu textlastig sein, sondern muss auch auf der Gestaltungsebene unterschiedliche Einstiege gewährleisten. Sie darf einen nicht zudröhnen. Sie muss gut verbunden sein mit einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm, mit einer Bibliothek und mit digitalen Kanälen, so dass ein breites Spektrum an Vertiefungsmöglichkeiten entsteht. Eine gute Ausstellung soll  hintragen zur Literatur und berühren im eigenen Leben.

Können Sie uns etwas über die Geschichte der Monacensia erzählen?

Die Monacensia ist eine durchaus traditionsreiche Einrichtung. Sie wurde vor beinahe 100 Jahren von Hans Ludwig Held gegründet, der nicht nur der erste hauptamtliche Münchner Stadtbibliotheksdirektor war sondern zugleich auch Schriftsteller, Religionsphilosoph und kurzzeitig 1919 auch Fraktionsvorsitzender der USPD im Münchner Stadtrat. Anfang der 1920er Jahre veranlasste er den Aufbau einer München-Bibliothek und legte den Grundstein für eine Handschriftenabteilung. In kürzester Zeit trug er an die 6700 wertvolle literarische Orginalmanuskripte zusammen, die Basis des heutigen Literaturarchivs. Die Sammlung umfasst derzeit rund 300 literarische Nachlässe und Konvolute. Helds gesellschaftliche Ideale einer demokratischen Kulturpolitik halten wir in Ehren. Beheimatet ist die Monacensia, die sich als literarisches Gedächtnis der Stadt München versteht, seit 1977 in der ehemaligen Künstlervilla des Bildhauers Adolf von Hildebrand.

Sie sind seit dem Frühjahr 2019 Leiterin dieser renommierten Institution. Wo möchten Sie neue Akzente setzen?

Die Monacensia wird sich in nächster Zeit noch stärker auch jenseits der literarischen Szene vernetzen. Sie wird die Brücke schlagen von München in die Welt, so wie es sehr viele „ihrer“ Autorinnen und Autoren getan haben und immer tun. Entsprechend wird sich das Programm an der Gegenwart und an der politischen Relevanz unseres Bestandes für das Hier und Jetzt und Morgen orientieren. Das Digitale öffnet uns natürlich auch mehr Möglichkeiten: Wir können das Literaturarchiv und die Bibliothek öffnen und die Bestände besser sichtbar machen. Wir können direkter mit dem Publikum in Kontakt treten und wir können, was der Kulturhackathon Coding Da Vinci gezeigt hat, gelassen die Öffentlichkeitsarbeit für unsere Bestände in die Hände von anderen legen und schauen, auf welche Ideen und kreativen Verknüpfungen sie kommen.

Gleichzeitig möchte ich das Haus zu einem lebendigeren Ort der Literatur machen. Dank der Sanierung haben wir nun ein Café, das die ehemalige Künstlervilla zu einer sehr schönen Insel am Isarhochufer macht. Im Sommer haben wir nun sogar einen improvisierten Biergarten, der das Mitbringen von Speisen und Getränken erlaubt. 

Toll ist, dass überall im Haus im Forum, in der Bibliothek, im Café, auf der historischen Terrasse und im Garten gearbeitet, geschrieben und sich getroffen werden kann. Was immer mehr Literatur- und Kulturschaffende für sich entdecken. München ist eine teure Stadt, da hilft es, wenn es schöne nichtkommerzielle und gleichzeitig inspirierende Orte gibt. Die Verbindungen, die so entstehen, tragen wir auch in neue Programmformate wie das „Atelier Monaco“ hinein.

Die Monacensia hat übrigens am Wochenende geöffnet und der Eintritt ist grundsätzlich frei, Literatur ist für alle da!

 

Das Gespräch führte Roland Spahr

Erika Mann wurde am 9. November 1905 in München geboren. Das älteste Kind von Thomas und Katia Mann arbeitete zuerst als Journalistin und Schauspielerin und gründete das legendäre Kabarett "Die Pfeffermühle" (zusammen mit Therese Giehse). Ab 1936 lebte sie vorwiegend in den USA, 1952 kehrte sie mit den Eltern ...
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