Interviews

Die Übersetzer Laura Su Bischoff und Michael Bischoff über ihre Arbeit an David Abulafias »Das unendliche Meer«

Knapp 1200 Seiten über die Geschichte der Weltmeere zu übersetzen – das ist eine echte Herausforderung. Laura Su Bischoff und Michael Bischoff erzählen, wie sie diese Übersetzung gemeistert haben, was sie dabei gelernt und spannend gefunden haben und wie die Zusammenarbeit zwischen Tochter und Vater funktioniert hat.

Der Übersetzer Michael Bischoff und die Übersetzerin Laura Su Bischoff
© Privat/Laura Su Bischoff
Was hat es für Sie bedeutet, gemeinsam ein Werk von mehr als tausend Seiten zu übersetzen?

[LSB]: Die Arbeit an einem derart umfangreichen Werk ist immer mit viel Aufwand verbunden, da man sich in das Thema einfinden und zu den jeweiligen historischen Ereignissen und Begriffen recherchieren muss. Arbeiten wir zu zweit, teilen wir den Text auf, sodass einerseits »nur« der eigene Teil übertragen wird, andererseits der andere aber natürlich nicht unbeachtet bleibt. Wir fungieren dann als Lektor*in und Korrektor*in des jeweils anderen, gehen die Übersetzung durch, beraten uns über verwendete Begriffe und bemühen uns trotz unterschiedlicher individueller Eigenheiten, das Werk aus einem Guss zu gestalten. Dadurch entsteht ein enges Gespann, man kennt irgendwann die Spleens des anderen und weiß sie einzuschätzen – wir sind ein gutes Team.

[MB]: Darauf Bezug nehmend erfahre ich durch die Zusammenarbeit mit meiner Tochter am konkreten Detail, worin meine Sprache zuweilen altmodisch wirken mag: eine Art Frischzellenkur.

 

Was war dabei die größte Herausforderung?

[MB]: Am aufwendigsten war in diesem Fall wohl die Abstimmung über häufig vorkommende Begriffe und die Vereinheitlichung der Schreibweise von Namen.

 

Was hat Ihnen am meisten Freude bereitet beim Übersetzen von David Abulafias »Das unendliche Meer«?

[LSB]: Die unheimliche Bandbreite und der enorm große Wissensschatz des Autors, den er mit uns, den Leser*innen, teilt. Denn letztlich lernen wir Übersetzer*innen genauso viel von unseren Autor*innen wie die Leser*innen selbst.

 

Haben Sie ein neues Wort kennengelernt? Welches Wort mussten Sie nachschlagen?

[MB und LSB]: Den Ausdruck Supercargo kannte ich [MB] bislang nur aus Heinrich Heines Gedicht Das Sklavenschiff. Ich [LSB] kannte ihn gar nicht. Für die Übersetzung mussten wir der genaueren Bedeutung nachsteigen.

 

Was haben Sie beim Übersetzen gelernt?

[MB]: Unendlich viel Neues und zahlreiche Splitter, die sich nun irgendwo in das große Bild einordnen lassen. Es gab wie so oft beim Übersetzen zahlreiche Anregungen, zu bestimmten Punkten aus eigenem Interesse und ohne direkten Bezug zum Buch Dinge nachzulesen und zu vertiefen.

[LSB]: Ich habe viel über die Geschichte Südostasiens und Ozeaniens gelernt und beispielweise erstmals vom Schicksal der Bataviaerfahren, das von Abulafia kurz erwähnt wird. Dieses Schiff, das nach der Hauptstadt Niederländisch-Indiens benannt war, sank 1629 vor der australischen Küste. Das tragische und grausame Schicksal der damals dort Gestrandeten soll, so heißt es zumindest hier und da, William Golding zu seinem Werk Herr der Fliegeninspiriert haben. Ob das wirklich stimmt …?

 

Worüber mussten Sie lachen? Was hat sie fast zum Verzweifeln gebracht?

[MB]: Lachen und Weinen liegen ja oft nah beieinander. Die Suche nach Zitaten und bibliographischen Details führt gelegentlich zu einer Verzweiflung, der sich letztlich nur mit Lachen beikommen lässt.

[LSB]: lacht.

 

Würden Sie’s nochmal tun?

[LSB]: Jederzeit. Das Schöne am Übersetzen von Sachbüchern ist und bleibt, wie sehr es den eigenen Wissensschatz erweitert. Dazu kommt die Auseinandersetzung mit Sprache. Wer also gerne dazulernt, Neues erfährt und mit Sprache spielt, ist beim Übersetzen gut aufgehoben

[MB]: Auf jeden Fall.

 

Haben Sie einen Lieblingssatz/ eine Passage/ Szene?

[LSB]: Der erste Satz einer neuen Arbeit ist immer aufregend und verheißungsvoll, wie »der Geruch von Feuern, die in der Ferne brennen, mit einem Hauch Zimt darin – so riecht das Abenteuer!« – um Die 13½ Leben des Käpt’n Blaubär von Walter Moers zu zitieren. So ist das hier auch, schließlich nimmt uns Abulafia mit auf eine Reise rund um die Welt.

[MB]: Nach so vielen Seiten in diesem Fall denn doch der letzte Satz. Der zweite Teil über den Indischen Ozean und seine Nachbarn enthielt für mich die meisten Neuigkeiten.

 

Wenn Sie während des Übersetzens Freunden in einem Satz erklärt haben, was Sie gerade machen – wie lautete der Satz?

[LSB]: Ich neige dazu, meine Arbeit nur sehr nüchtern zusammenzufassen, während ich noch dabei bin. Deshalb habe ich die Beschäftigung mit diesem Werk kurz und bündig damit beschrieben, dass ich gerade ein Buch über die Geschichte der Weltmeere übersetze – nicht sehr kreativ, ich weiß. 

[MB]: Wir übersetzen gerade ein ziemlich dickes Buch über die menschliche Eroberung und Nutzung der Weltmeere in der langen Geschichte der Menschheit. Ich schippere also gerade quer über alle Weltmeere um die ganze Welt.

 

Dieses Buch sollte man unbedingt lesen, weil…

[LSB] es den Horizont erweitert, der sich in diesem Werk um den ganzen Erdball spannt und viele Jahrhunderte umfasst, und weil es diesen Horizont zusammenhängend betrachtet.

 

Als Sie mit dem Übersetzen fertig waren, haben Sie zuallererst…

[MB]: die Arbeit am nächsten Buch begonnen. Ich denke, das geht vielen Übersetzer*innen so, die von dieser Arbeit leben, zumal der Beginn einer neuen Übersetzung seinen ganz eigenen Reiz hat.

[LSB]: ein paar Tage frei genommen, das muss auch mal sein. In solchen Atempausen befasse ich mich nicht mit Büchern, sondern gönne meinem Geist eine Auszeit, indem ich vor allem fotografiere – das Übersetzen ist meine Profession und das Fotografieren meine Passion, könnte man so sagen.

 

Um sich abends vom Übersetzen zu entspannen, haben Sie…

[LSB]: ferngesehen. Ich gebe zu, es ist profan und nicht gerade intellektuell, aber ich bin eine große Serienfreundin und gucke mir besonders gerne Dinge an, die sozusagen möglichst unsachlich und irrational sind und damit ganz weit weg von meiner eigentlichen Arbeit: am liebsten also Fantastisches, Übernatürliches und Schauriges aus den großen Weiten des Internet-TVs.

[MB]: so ziemlich alles getan – außer Lesen.

 

In welchem Setting liest man dieses Buch am besten?

[LSB]: Aufgrund des Umfangs des Werkes in einem gemütlichen Sessel, auf einem schönen Gartenstuhl, auf einer bequemen Couch, auf einem Haufen Kissen, in einem weichen Bett … an einem Ort eben, an dem man ganz in dem wunderschön gestalteten Band mit seinen vielen farbigen Abbildungen versinken kann.

[MB]: Das Buch passt eigentlich in jede Umgebung. Sie können es von vorn nach hinten lesen, Sie können aber auch ganz nach Gusto »darin« schmökern.

 

Welches Getränk passt am besten zu diesem Buch?

[LSB]: Kaffee oder Tee, weil die Geschichte der Weltmeere untrennbar mit der des Handels und des Kolonialismus verbunden ist. Wie wäre es denn mit Spezialitäten aus dem asiatischen Raum, beispielsweise die verschiedenen Milchtee-Arten, von indischem Masala Chai (ein klassischer Gewürztee) über Yuenyeung aus Hongkong (eine Mischung aus Kaffee und Tee für Liebhaber*innen des Koffeins) bis hin zum berühmt-berüchtigten Bubble-Tea aus Taiwan (für alle, die es gerne süß mögen)? Wer Koffein wiederum nicht gut verträgt, dem kann ich Yuja-cha (Honig-Yuzu-Tee) oder Hyeonmi-cha (Tee aus geröstetem braunem Reis) empfehlen, beides Getränke, die in Korea (der Heimat meiner Mutter) sehr beliebt sind.

[MB]: Aber ein guter Wein wäre auch nicht verkehrt.

 

Leser*innen, die dieses Buch mögen, empfehlen Sie auch..

[LSB und MB]: David Abulafia, Das Mittelmeer. Eine Biographie, Michael Pye, Am Rand der Welt. Eine Geschichte der Nordsee und die Anfänge Europas, Pankaj Mishra, Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens, Daniel Immerwahr, Das heimliche Imperium. Die USA als moderne Kolonialmacht.

Laura Su Bischoff, geboren 1984, studierte Amerikanistik, Anglistik und Neuere Geschichte. Seit 2014 übersetzt sie Sachbücher und Literatur aus dem Englischen, u.a. von Arthur Conan Doyle, Bee Wilson, Daniel Immerwahr, David Abulafia und Pankaj Mishra.

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Zur Autorin

Michael Bischoff, geboren 1949, studierte Mathematik und Soziologie und war Wissenschaftslektor im Suhrkamp Verlag. Seit 1977 übersetzt er Literatur aus dem Französischen und Englischen, u.a. von Émile Durkheim, Michel Foucault, Isaiah Berlin und Richard Sennett.

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