Interviews

»Übersetzungen sind wie Reisen«

Myriam Alfano ist Rechtehändlerin bei den S. Fischer Verlagen und Übersetzerin. Zum Hieronymustag, dem Weltübersetzertag am 30. September, stellten wir ihr drei Fragen rund ums Übersetzen.

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© Stefan Gelberg

Wie lässt sich deine Doppelfunktion beschreiben und was macht sie aus?
Eigentlich ist es keine Doppelfunktion, es sind zwei Tätigkeiten, die sich gut ergänzen. Ich würde sagen, in beiden Positionen steht die Vermittlung im Vordergrund. Als Rechte- und Lizenz-manager*innen vermitteln wir Deutsche Literatur an Verlage in die ganze Welt. Zu wissen, was die Lektor*innen in den jeweiligen Häusern gerade beschäftigt, wofür sie sich interessieren und entsprechende Vorschläge aus unserem Programm zu machen, ist eine spannende Herausforderung.

Als Übersetzerin vermittelt man gewissermaßen zwischen Ausgangs- und Zielsprache. Auch hier ist es wichtig abzuwägen, und im Dialog zwischen beiden Sprachen den Text sicher zu transportieren. Dazu muss man, wie im Lizenzgeschäft auch, die kulturellen Gegebenheiten gut im Blick haben.

Was ist für dich die Rolle und Aufgabe von Übersetzungen? 
Übersetzungen sind wie Reisen. Durch Übersetzungen wird es ja überhaupt erst möglich, Texte zu lesen, die ursprünglich in Sprachen verfasst wurden, die wir nicht verstehen. Mich erstaunt es, wie selten Leser*innen sich das bewusst machen, dass die Autor*in durch die Stimme der Übersetzer*in zu ihnen gelangt. Und durch übersetzte Literatur haben wir die Möglichkeit, etwas über die Denk- und Lebensweisen in anderen Ländern zu erfahren und uns, sozusagen vom Sofa aus, fremde Welten zu erschließen.

Übersetzungen sollten möglichst authentisch die Stimme der Autor*in transportieren, den Rhythmus des ursprünglichen Textes, seine Melodie; sie sollten möglichst dieselben Assoziationsräume eröffnen. Wenn das gelingt, bemerkt man nicht, dass man eine Übersetzung liest – und so kommt es dann wohl, dass man die Übersetzer*in vergisst.

Was ist dein liebster Aspekt bei der Übersetzungsarbeit?
Das ist nicht so leicht auf einen Aspekt zu reduzieren. Es könnte das Herantasten, das immer tiefere Vordringen, das Durchdringen des Textes sein. Die konzentrierte Arbeit, die Suche nach dem treffenden Wort – und die Freude, wenn man es endlich findet. Aber auch, dass man so wahnsinnig viel lernt, sich immer wieder eingehend mit Dingen beschäftigt, von denen man vorher nur wenig wusste. Und gute Dialoge, die Lebendigkeit gesprochener Sprache, daran habe ich große Freude.