Interviews

Wie nachhaltig sind wir?

Wir sprachen mit Stefanie Langner, Herstellungsleiterin der S. Fischer Verlage, über Einschweißfolien, über die größte Klimasünde in einem Verlag und fragten sie, was es bedeutet, ein klimaneutraler Verlag zu sein.

Wie nähern wir uns dem Thema Nachhaltigkeit? Welche Themen und Fragen stehen im Raum?
Das ist wirklich eine sehr vielfältige Gemengelage, was alles unter der allgemeineren Überschrift »Nachhaltigkeit« zusammengefasst oder auch angedockt wird. Das Spektrum reicht von der Plastik-Thematik über vegane Lebensweise über Energie bis zu Natur und Bäumen. Sowie allgemein CO2-Emission, also Carbon Footprint, was wir uns als Schwerpunkt rausgepickt haben. Aber natürlich auch Ökostrom, Recycling-Thematik und Materialien. Das ist jetzt erstmal ein großes Sammelbecken und wir haben gemerkt, dass es nicht nur darum ging, dass wir uns jetzt intern im Verlag, oder nochmal zugespitzt in der Herstellung, irgendwie Themen gesucht haben, sondern das ja ganz stark von außen bespielt wurde: von unseren vielfältigen Partner, die wir als Verlag haben. Sowohl Kund*innen, da bei End-Leser*innen angefangen, aber natürlich auch der Buchhandel, der ja auch eine engagierte Klientel ist und anfing Fragen zu stellen, bis zu Autor*innen, die wir in unserem Programm haben, die auch engagiert in Themen gesellschaftlicher und globaler Relevanz unter anderem im Bereich Natur, Klima, Nachhaltigkeit publizieren. Auch sonstige Geschäftspartner*innen, die Impulse aus anderen Richtungen aufnehmen. Da hat man gemerkt, dass das Thema mit diesen sehr unterschiedlichen Aspekten sehr stark befeuert wurde. So vor zwei Jahren ist Nachhaltigkeit als Thema in der Branche und davor ja auch in den Nachrichtensendungen sehr prominent und präsent geworden. Besonders die Plastik-Thematik, woraus dann im vorletzten Jahr die Bonnier Gruppe, mit Ullstein an der Speerspitze, gesagt hat: Wir widmen uns jetzt den Einschweißfolien und machen eine starke Initiative daraus. Das hat das sicherlich sehr befeuert. 

 

Sodass Handlungsbedarf bestand?
Genau, da wurde das Thema sehr groß und wir wurden dazu natürlich auch befragt. Wie man sich dazu verhält, wie man es findet, wie man es selber macht. Damit geht es ja oft erstmal los, also auch bei Leser*innen, die sich dann an uns wenden und sagen: »Wie ist das denn überhaupt bei Ihnen? Und wo kommt denn überall Plastik vor? Setzen Sie auch Recycling-Materialien?«. Das ist ja dann nicht immer eine direkte Forderung, also dass Druck ausgeübt wird, aber man merkt, dass die Leute sich mehr dafür interessieren, wie wir unsere Arbeit machen. Ein großer Faktor ist da bei uns die Produktion von Büchern aus Papier, was ein Naturmaterial ist, an dem die Leute interessiert sind. Da haben wir gemerkt, dass es gut ist, wenn wir auskunftsfähig sind und selber verstehen, was hinter unserer Produktion und unserem Entscheidungen steckt. 
 

Bei unseren Novitäten gibt es seit diesem Monat das  Siegel »Klimaneutraler Verlag«. Was bedeutet das? Was steckt dahinter?
Es ist so, dass wir in der Holtzbrinck Gruppe gesagt haben, ein ganz starker Fokus, der für uns Relevanz hat, weil wir sagen, das hat den größten Impact auf das globale Klima, ist die CO2-Thematik. Das haben wir uns als einen großen Bereich, um den wir uns kümmern wollen und wo wir uns auch verbessern wollen herausgenommen und haben gesagt: Wie steht es denn um unsere CO2 Bilanz und was können wir im Zweifel sagen, was schon passiert ist, und wie gehen wir weiter damit um? Tatsächlich ist es so, dass die Holtzbrinck Gruppe als weltweite Gruppe seit 2014 klimaneutral  unterwegs ist. Das heißt, noch davor wurde viele Jahre bereits eine Klimabilanz erstellt. Damit geht das Ganze eigentlich los: dass verstanden wird, was man überhaupt an CO2-Emission erzeugt, wie bemisst man seinen ökologischen Fußabdruck und was für Faktoren wirken darauf ein? Am Ende hat man dann tatsächlich (man muss immer mit ein paar Annahmen arbeiten) eine Zahl in Kilogramm, beziehungsweise Tonnen, sodass man sehr gut über zertifizierte Verfahren benennen kann, was man für einen CO2-Fußabdruck hinterlässt. Auf Basis dieser Klimabilanzdaten gab es zwei Initiativen: Die erste ist uns immer am allerwichtigsten, nämlich zu sagen, wir wollen die Emission selbst verringern. Also, wie können wir den Ist-Ausstoß reduzieren. Das haben wir jetzt auch in der letzten Zeit ganz stark in Einzelprojekte unterteilt. Als zweiten Schritt werden Projekte unterstützt, meistens Aufforstungsprojekte, um einen positiven Effekt auf das globale Klima auszuüben. Es sind auch oft Projekte, die in strukturärmeren oder auch prekären Regionen Menschen unterstützen, zum Beispiel mir umweltfreundlicheren Öfen zum Arbeiten oder zum Leben. Insofern können wir mit guten Gewissen sagen, dass wir seit 2014 als Verlagsgruppe, und somit auch jeder einzelne Verlag, klimaneutral gestellt sind. Parallel dazu haben wir auch unsere Klimabilanz deutlich verbessert. In den letzten fünf Jahren haben wir über ein Drittel eingespart. Die Botschaft  »Wir sind ein klimaneutraler Verlag« ist die Kernbotschaft dieses Siegels, weil wir gesagt haben, wir möchten ein bisschen mehr darüber sprechen. Nicht um zu sagen, wir sind so toll und ihr müsst das jetzt alle so machen wie wir, sondern um auch weiter zur Diskussion beizutragen und zum Gespräch über das Thema anzuregen. Auch um hoffentlich ein paar Impulse zu geben, dass der ein oder andere sich auch Anregungen holt und wir im Gespräch gemeinsam immer besser werden. Wir sehen es als einen Prozess, den wir begonnen haben, auch am Anfang sind und es immer noch viel zu tun gibt.

Was ist die größte Klimasünde in einem Verlag? Was produziert das meiste CO2?
Deshalb ist oft die Herstellung gefragt bei dieser Thematik. Es gibt bei einer Klimabilanz verschiedene Stufen, sogenannter Scope 1 bis 3. Im Scope 1 werden die ganz unmittelbaren, durch die Arbeit verursachten CO2-Emissionen berücksichtigt. Das ist dann der Strom und die Heizung, die in einem Verlag an sind. Also alles, was wir im Rahmen unserer Arbeit tun. Im Scope 2 sind dann die mittelbaren Effekte, dazu gehören dann auch die Arbeitswege, worüber wir uns im Verlag ein ganz genaues Bild machen. Der Scope 3 ist dann eigentlich der Bereich, der außerhalb unseres ganz direkten Einflussbereiches liegt. Dazu gehören dann die Effekte, die durch die Arbeit unserer Partner entstehen. Das ist in der Herstellung natürlich der große Druck- und Produktionsbereich. Da muss man sagen, der Scope 3 ist um ein vielfaches höher als Scope 1 und 2 zusammen. Der allergrößte Faktor ist eben das Material, auf das wir unsere Bücher drucken, nämlich das Papier, das in der Herstellung ein sehr aufwändiges Verfahren ist – energetisch und auch was den Wassereinsatz angeht. Insofern ist das ein Punkt, um den wir uns aus Herstellungssicht im Kern weiter kümmern; in vielen Gesprächen mit unseren Partnern, sowohl in der Papierherstellung, als auch im Druck, um dort ganz direkt an Hebeln zu drehen, die uns die Emission verringern lassen. 

Unter dem Klimasiegel steht teilweise »Aus ökonomischen Gründen ist dieses Buch nicht in Folien eingeschweißt«. Wird das Standard werden?
Das ist tatsächlich auch eine Maßnahme, die wir jetzt im letzten Jahr ergriffen haben, die jetzt in 2020 deutlich ausgebreitet wird: Unsere Bücher, die in der Ausstattung Hardcover mit einem Schutzumschlag erscheinen, waren ja bisher standardisiert einzeln in Folie eingeschweißt. Wir haben auch da Partner, die man für so eine Umstellung braucht und wir haben gesagt, dass wir versuchen, einen Großteil unserer Titel in dieser Ausstattung jetzt nicht mehr einzeln einzuschweißen. Wir haben dafür auch das Schutzumschlagmaterial umgestellt, um einerseits mehr Stabilität zu bekommen, aber andererseits auch auf eine Folierung, also Kaschierung, des SUs selbst zu verzichten, um auch da den Plastikeinsatz zu vermindern. Das gilt es jetzt zu beobachten, weil Bücher auch lange Wege hinter sich bringen müssen und wir hoffen, dass das über die ganzen Logistikwege auch funktioniert und dass wir nicht erhöhte Remissionen haben, denn das wäre dann kontraproduktiv. Wir hätten dann zwar Plastik eingespart, hätten dann in der CO2-Bilanz wieder einen deutlichen Negativeffekt. Das gilt es immer abzuwägen, und eben auch zu beobachten, aber der Zeitpunkt ist jetzt richtig, das zu machen. Wir glauben und hoffen auch, dass unsere Partner sowohl im Buchhandel und im Versand, so wie unsere Leser*innen uns da unterstützen, auch wenn vielleicht mal das ein oder andere Exemplar nicht ganz frisch ausgeschweißt aussieht. Das werden wir auch sehr genau beobachten, aber sehen natürlich den Effekt. An der Stelle wollen wir einfach weniger Plastik in Umlauf bringen. 

Eine letzte Frage: Was sind die nächsten Schritte? Gibt es noch größere Ziele, die formuliert worden sind?
Wir wollen uns in diesem Jahr ein explizites Ziel in Zahlen vornehmen, auch was die weitere CO2 Emissionen angeht, weil wir gerade im letzten Jahr sehr genau verstanden haben, was die Effekte sind. Das ganze Thema Transport und Versand, also die Wege, die auch die Vorprodukte zu einem Buch zurücklegen, aber auch die Bücher innerhalb unseres Marktes; das ist ein hochkomplexer, aber natürlich auch wichtiger Baustein in dem ganzen System. Da sprechen wir mit unseren Partnern, sowohl mit unserer Verlagsauslieferung, aber auch mit Druckereien und Papierhersteller*innen; auch über Bündelungen von Lieferungen. Wie wir dort effizienter werden und wie wir die Wegstrecken tatsächlich verringern. Auch mit unseren Papierpartnern sind wir in Gesprächen, wir sondieren weiter Alternativmaterialien. Da tut sich aufgrund der Präsenz der Thematik wahnsinnig viel. Zusätzlich sind wir da immer am Prüfen, wie die CO2 Bilanzen unserer Partner aussehen und das ist auch ein Kriterium für die Entscheidung, welche Materialien wir weiterhin einsetzen. Intern im Verlag gibt es auch viele Initiativen: unsere Umwelt-Gruppe »Die Grünen Fische« sind gerade daran zu prüfen, inwieweit wir auf Recyclingpapier bei unserem Büromaterial umsteigen. Es gibt auch erste Initiativen was Putz- und Spülmittel angeht. Das sind so die ersten Schritte direkt im Verlag, die auch unglaublich wichtig sind, um auch zu gucken, was das mit uns im Kollegium zu tun hat und wo wir überall noch was tun können. 

Mehr Infos: www.klimaneutralerverlag.de 

Das Gespräch führte Sophie Priester