Kunsthistorikerin, lebt in Wien. Als ihr Mann Klemens in Venedig tot aufgefunden wird, macht sie sich auf den Weg dorthin. Jetzt, nach seinem Tod, hat sie das Gefühl, nicht mehr zu wissen, wer Klemens – ein berühmter Comiczeichner – wirklich gewesen ist. Zögernd beginnt sie sich in Venedig umzusehen: Wo hatte ihr Mann bei seiner letzten Reise gewohnt? Hatte er eine Geliebte? War er auf der Suche nach seinem Vater gewesen? Gleichzeitig will Lilli selbst verschwinden, sucht die Einsamkeit und fürchtet sich zugleich davor. Sie hat einen Shakespeare-Satz im Ohr, den Klemens gern gesagt hatte: »Wenn man nicht weiß, wohin man will, kommt man am weitesten.«
Fünf Wörter, ein Roman: »Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe« von Gerhard Roth
»Venedig ist eine steinerne Bibliothek, in der nachzulesen ist, wozu der Mensch fähig ist«, sagt Gerhard Roth. Jetzt hat er seinen dritten Roman über die Stadt in der Lagune geschrieben, und sein Lektor Jürgen Hosemann stellt ihn anhand von fünf Begriffen vor.
Mosaik
Im Markusdom blickt Lilli auf die Mosaiken um sich herum, dabei kommt sie sich »auf beruhigende Weise unwichtig vor«. Dann hebt sie ein herausgefallenes Mosaiksteinchen auf und steckt es ein, ein Glasplättchen mit einem goldenen Überzug. Immer wieder nimmt sie es von nun an in die Hand und versucht so, Kontakt mit ihrem verstorbenen Mann aufzunehmen. Sie weiß, dass sie von einem einzelnen Teilchen nicht auf das ganze Mosaik schließen kann, aber »Steinchen für Steinchen würden sich die kleinsten Erkenntnisse zusammensetzen«. Und sie fühlt, dass auch in ihr selbst etwas vorhanden ist, was sie erst entdecken muss.
Der Zufall und der Kommissar
Lilli lässt sich treiben, folgt Zufällen und ihrer Intuition, sucht nach Zugängen zu einer anderen Wahrnehmung und »zweiten Wirklichkeit«, in der sich ihr das Geschehene enthüllen würde. Als sie den Mord an einem Polizisten beobachtet, gerät sie selbst in Gefahr. Sie erfährt, dass es bereits zuvor eine Reihe von ungeklärten Polizistenmorden gegeben hat – und Klemens hat offenbar darüber recherchiert. Bald verdächtigt die Polizei den ehemaligen Kriminalkommissar Emilio Galli – Klemensʼ Vater. Liegt das Geheimnis, das Klemens umgibt, tief in seiner Kindheit?
Comics
»Als sie sich vornahm, die beiden Hefte über Klemens’ Kindheit zu lesen, erinnerte sie sich wieder, dass er alle seine Aufzeichnungen in Spiegelschrift verfasst hatte und wie mühsam das Entziffern sein würde. Klemens hatte seine Arbeit gerne mit einem Geheimnis umgeben. Er sperrte die Manuskripte, bis sie fertig waren, in seinen Safe und band sie in Zeitungsseiten ein, die das Etikett trugen ›Nicht lesen!‹ – Obwohl Lilli neugierig gewesen war, hatte sie sich immer daran gehalten. Sobald er ein Comicbuch abgeschlossen hatte, durfte sie die Manuskriptseiten und die Bilder als Erste in Augenschein nehmen. Manchmal erschrak sie beim Lesen darüber, was in seinem Kopf vor sich ging.« Um es besser zu verstehen, betrachtet Lilli in Venedig die Gemälde Tintorettos, Tiepolos und der »Erfinder der Comic-Kunst«, der italienischen Rokoko-Maler Pietro Longhi und Gabriele Bella.
Abschied
Mit »Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe« nimmt Gerhard Roth Abschied von Venedig. Es ist der letzte von drei Romanen über die Stadt. Und wovon handeln sie wirklich? »Äußere und innere Wirklichkeit sind permanente Rätsel. Wir verstehen eher einen anderen Menschen als uns selbst. Wir sind hineingeboren in ein Labyrinth, in dem wir ein Leben lang herumirren. Darum geht es in meinem Venedig-Triptychon.« (Gerhard Roth)