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Gesine Schwan über die »Internationale Allianz der Sicheren Häfen«

Potsdam und Palermo sind eine auf den ersten Blick unwahrscheinliche Verbindung eingegangen: In der »Internationalen Allianz der Sicheren Häfen« setzen sie sich gemeinsam mit über dreißig weiteren Städten für Geflüchtete ein. Gesine Schwan über eine Initiative, auf der wir unsere Zukunft bauen können.

Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan steht in einem pinken Blazer vor dem Brandenburger Tor
© Heide Fest

Was haben Potsdam und Palermo gemeinsam? Beide blicken auf eine weltweit bekannte Geschichte zurück, allerdings von sehr unterschiedlicher Dauer und mit sehr unterschiedlichen Prägungen. Potsdam erscheint als Inbegriff des Preußentums und der deutschen, im 20. Jahrhundert nicht immer sehr glücklichen Geschichte, Palermo steht für eine Jahrhunderte alte Verbindung ganz unterschiedlicher Kulturen – der Phönizier, Römer, Araber, Byzantiner, Normannen und Italiener – und für große geistige Synthesen.

Gemeinsam sind beiden Städten vor allem die Erfahrung von Toleranz und ein großzügiger Umgang mit Flüchtlingen. Wenn auch aus ganz unterschiedlichen Kontexten. Der Große Kurfürst hat mit dem »Edikt von Potsdam« im Jahre 1685 Hugenotten nach Brandenburg eingeladen. Nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges fehlten dem entvölkerten Land Menschen, die beim Wiederaufbau und bei der Entwicklung helfen könnten.  Der Landesfürst setzte auf die handwerklichen Fähigkeiten, die unternehmerische Initiative und die Vertrautheit der Hugenotten mit der französischen Wissenschaft und Kultur und bot ihnen vielfache Unterstützung an, um sie nach Potsdam und in die Umgebung zu locken. Es gab durchaus Unzufriedenheit in der Bevölkerung, aber auf längere Zeit wurde die Ansiedlung ein großer Erfolg.

Palermo wurde in seiner seit dem 8. Jahrhundert vor Christus dokumentierten von allen großen mediterranen Kulturen geprägt, Ideen einer homogenen Nation treffen hier auf eine Wirklichkeit, die dem radikal widerspricht.  Weltläufigkeit und Vielfalt gehören zur DNA dieser großartigen Stadt. Ihr langjähriger Bürgermeister Leoluca Orlando, der die Stadt mit sozialen und kulturpolitischen Initiativen von der Mafia befreit und zu einer der sichersten Städte Italiens gemacht hat, betont immer wieder, dass es in Palermo keine Flüchtlinge gibt, sondern nur MENSCHEN.

Die  gemeinsame Aufgeschlossenheit von Potsdam und Palermo gegenüber kultureller Vielfalt und geflüchteten Menschen hat jetzt dazu geführt, dass Leoluca Orlando und der Oberbürgermeister von Potsdam, Mike Schubert, zusammen mit der Unterstützung von über dreißig europäischen Städten eine »Internationale Allianz der Sicheren Häfen« gegründet haben. Das geschah auf der Konferenz zum Thema »From the Sea to the City«, die u.a. von der Initiative »Seebrücke«, von verschiedenen Städten und von der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform Ende Juni in Palermo veranstaltet worden ist. Zu den europäischen Städten gehörenneben Palermo und Potsdam auch Amsterdam, Athen, Barcelona, Marseille, Villeurbanne, Trier, Kiel, München, Heidelberg, Gütersloh, Bergamo, Lampedusa, Pozzallo, Reggio Calabria, Rottenburg, Flensburg, Göttingen, Braunschweig, Greifswald, Mannheim, Leipzig, Northeim, Dormagen, Münster, Jülich, Bonn, Marburg, Dortmund, Darmstadt, Würzburg, Tirana. Seitdem dazugekommen sind Oldenburg und Paris.

Das Bündnis versammelt sich hinter einer gemeinsamen Erklärung. Mit dem praktischen Angebot, geflüchtete Menschen aufzunehmen, protestieren die Städte gegen die Unmenschlichkeit der gegenwärtigen EU-Flüchtlingspolitik, gegen das Sterben im Mittelmeer und auf der östlichen Balkanroute und bieten Schutz und Alternativen.

Hier zeigt sich ein anderes Europa als das der nationalen Regierungen. Darauf können wir für die Zukunft bauen, um unsere Kultur, unsere Werte, unsere demokratische und soziale Lebensweise und unsere europäische Freude am Leben zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Gesine Schwan mischt sich seit Jahrzehnten mit Herz und Verstand in die Politik ein. Sie ist Vorsitzende der Grundwertkommission der SPD und war Professorin für Politologie an der FU Berlin und Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt/Oder. Zweimal kandidierte sie für das Amt der Bundespräsidentin und ist heute Präsidentin und Mitgründerin ...

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Die Streitschrift zu Europa

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