Was liest Du gerade?
»Blutbuch« von Kim de l‘Horizon. Es beeindruckt mich sehr, wie Ton und Tempo sich in diesem Buch alle paar Seiten aufs Neue verwandeln und dadurch nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch in der Form ein Gegenentwurf zum Linearen entsteht: Hier gibt es keine lineare Erzählstruktur, keine lineare Lebens- und Familiengeschichte, keine binären Geschlechterverhältnisse. Herausfordernd, berührend und irgendwie tröstlich.
Papier oder E-Reader?
Nur auf Papier, es sei denn, es sind Textausschnitte für die Uni. Ohne ein schönes Buch in den Händen und das Gefühl des Öffnens, Umblätterns und Zuschlagens macht Lesen mir nicht mal halb so viel Spaß. Außerdem habe ich Bücher auch einfach gern um mich, kaufe sie nach längerem Stöbern im Buchladen und betrachte sie zu Hause im Regal (an dieser Stelle nochmal ein großes Sorry an alle, die bei meinem letzten Umzug helfen mussten.)
Das letzte Buch, das Du nicht bis zum Ende gelesen hast?
Ich breche sehr ungern Bücher ab, deshalb versuche ich eher, schon vorher sorgfältig auszuwählen, was ich lese. Klappt natürlich nicht immer. Das letzte Buch, das ich abgebrochen habe, war »A Promised Land«, die neuste Autobiografie von Barack Obama – nicht, weil sie mir nicht gefallen hätte, sondern weil ich einfach gerade nicht genug Zeit und Aufmerksamkeit für die 768 Seiten hatte. Kommt noch.
Das letzte Buch, das Dich zum Lachen gebracht hat?
»Die Geschichte meiner Sexualität« von Tobi Lakmaker. Lakmaker hat es geschafft, Humor auf eine Weise mit Queerness zu verbinden, die nicht auf Kosten der queeren Erfahrung geht, sondern sie im Gegenteil erst richtig greifbar macht. Bei manchen Passagen musste ich so lachen, dass ich meinen Freundinnen Sprachnachrichten geschickt habe, in denen ich sie ihnen vorgelesen habe – ich hoffe, sie fanden das genauso witzig wie ich...
Das letzte Buch, das Dich zum Weinen gebracht hat?
Fast weinen musste ich bei »Dschinns« von Fatma Aydemir. Und zwar gleich beim ersten Kapitel – Aua! Das letzte Mal so richtig geheult habe ich, glaube ich, bei »Das Ende von Eddy« von Édouard Louis.
Deine liebste Romanfigur?
Ich glaube, dass man, wenn man diese Frage ehrlich beantworten will, irgendwie immer bei Kinder- oder Jugendbüchern landet. Und da kann ich mich zwischen Pippi Langstrumpf, dem Sams und Momo nicht entscheiden.
Welches Buch empfiehlst du für einen literarischen Trip in die klassische Antike?
Puh… da bin ich ehrlich gesagt die falsche Ansprechpartnerin. »Circe« steht aber schon länger auf meiner Liste.
Welches Buch empfiehlst Du für einen Städtetrip?
Für Berlin »Es ging immer nur um Liebe« von Musa Okwonga, für Wien »Dicht« von Stefanie Sargnagel und für New York »Just Kids« von Patti Smith.
Manchmal schämt man sich dafür, ein bestimmtes Buch zu mögen – hast Du eins?
Das Konzept »Guilty Pleasure« finde ich eigentlich schwierig – wenn man etwas mag, sollte man doch dazu stehen und es einfach ehrlich gut finden, anstatt sich halb-ironisch hinter dem »Guilty Pleasure«-Label zu verstecken. Aber ich glaube, es gibt ein paar Autoren (absichtlich nicht gegendert), deren Bücher ich mal sehr mochte, die ich inzwischen jedoch vielleicht nicht mehr unbedingt weiterempfehlen würde.
Gibt es ein Buch, das alle Welt liebte, nur Du fandest es doof?
Ich sag’s jetzt einfach und wir vergessen es ganz schnell wieder: »Der Herr der Ringe« hat mich nie so richtig abgeholt.
Welches Buch sollte Deiner Meinung nach jede und jeder gelesen haben?
»The Fire Next Time« von James Baldwin, Anne Franks Tagebuch, »Citizen« von Claudia Rankine, »Frauenliteratur« von Nicole Seifert und »Die Welt im Rücken« von Thomas Melle.
Welches Buch hast Du nie gelesen und wünschtest, Du hättest es?
Die Liste ist sehr, sehr lang. Darauf stehen sicher einige Klassiker, aber vor allem Bücher von Menschen, die keine weißen, männlichen deutschen oder US-amerikanischen Autoren sind. »Sister Outsider« von Audre Lorde ist als Nächstes dran.
Zu welchem Buch kehrst Du immer wieder zurück?
»Das Archiv der Träume« von Carmen Maria Machado lese ich tatsächlich gerade nochmal, weil mich die deutsche Übersetzung interessiert hat. Ansonsten lese ich aber eigentlich nie etwas zweimal. Nicht, weil ich es nicht genießen würde, Bücher, die ich mochte, nochmal zu lesen, aber dafür ist das schlechte Gewissen angesichts der vielen ungelesenen Bücher auf dem Stapel neben meinem Bett dann doch immer zu groß ist. Vielleicht werde ich das ja irgendwann los und kann dieses luxuriöse Gefühl, ein vertrautes Lieblingsbuch nochmal zu lesen, vollends genießen – bis dahin werden die Bücher, die ich am häufigsten gelesen habe, wohl die »Harry Potter«-Bände bleiben.