Interview mit Clemens Meyer
Clemens Meyer hat ein paar Fragen zu seiner Neuübersetzung des Stückes »Der haarige Affe« von Eugene O'Neill beantwortet.
Petra Gropp: Lieber Clemens, Du hast im Auftrag des Schauspiels Frankfurt das Stück »The Hairy Ape« des amerikanischen Theaterautors Eugene O’Neill ins Deutsche übertragen. Was hat Dich an diesem Stück aus dem Jahre 1922 gereizt?
Clemens Meyer: Ich kannte das Stück vorher nicht und habe erstmal geschaut, ist das was für mich, habe ich da einen Zugang, aber schon nach wenigen Seiten merkte ich, da ist eine Dynamik drin, eine Urwucht, vor allem an der Person des Yank, aber überhaupt die ganze Unterdeck/Heizer Situation, das hat Bumms. Das kann uns auch heute noch was erzählen, über unsere Welt, über Vergangenheit und Gegenwart, über Klassenkampf, verlorene Illusionen, die Wut des armen weißen Mannes ...
Petra Gropp: Bist Du der Vorlage in der Übersetzung treu geblieben, oder hast Du Veränderungen vorgenommen?
Clemens Meyer: Je weiter ich ins Stück vordrang, umso mehr habe ich verändert, hatte das Gefühl, ich kann mit den alten Chiffren nicht mehr arbeiten und habe hintenraus ganze Szenen umgedeutet, Personen gestrichen usw. So begegnet Yank im Gefängnis sich selbst, bzw. einem alten Yank, der in Frankfurt auf der Bühne dann der Affe ist, also sein Alter Ego, im Original waren da noch viel mehr Häftlinge, oder der vorletzte Akt, in Frankfurt aus dramaturgischen Gründen nicht drin, bei mir die Hybris in einer Art Morgue, wo die Stimmen der alten Ideologien durcheinandergeraten und sich mit neuen Extremen mischen, sodass Yank endgültig verrückt wird. Im Original ist das noch das Büro der IWW, der International Workers of the Word. Aber die sind ja tot heute! Oder die Szene auf der Fifth Avenue, da sind heute nur noch Apple Stores, die beten zu einem Apfel, das kapiert Yank nunmal gar nicht! Aber ich habe versucht, das alles im Geiste O’Neills zu machen, bei allen Umschreibungen.
Petra Gropp: Yank, der als »haariger Affe« beschimpft wird, ist Arbeiter im Kesselraum eines Schiffes. Es geht in dem Stück um Industrialisierung und Klassengesellschaft. Sind diese Themen heute noch aktuell, oder ist die Figur des Yank eine zeitlose?
Clemens Meyer: Das ist schon noch aktuell, nur anders als damals, in den 20er Jahren, der Klassenkampf ist ja ein anderer. Man spürt die Sehnsucht Yanks, einen Ort zu finden, wo er hingehört, gehört zu werden, zu zählen, ein Teil zu sein, aber er weiß nicht wo und wie und wird durch die Begegnung mit Mildred, der weißen Frau, vollkommen aus der Bahn geworfen und begibt sich auf eine Odyssee, auf einen Road Trip, aber er kommt nie an. Für mich kann das das Stück der Stunde sein, wenn man schaut, was gerade so los ist, auf der Welt, bei uns.
Petra Gropp: Wie hast Du eine Sprache für die Geschichte gefunden?
Clemens Meyer: Ich habe versucht, den Rhythmus der O’Neill-Sprache irgendwie zu transformieren, das Stück ist ja vom Expressionismus stark beeinflusst. Aber ich habe mir auch immer wieder ins Bewusstsein gerufen, das Ganze ist eine Komödie, also auch, und dann brauchen wir Kalauer, Wortspiele, die Szene mit der Tante und Mildred ist dann eine Art Screwball Comedy.
Es ist am Ende also nicht nur eine Übersetzung geworden, sondern, zumindest partiell, eine Neufassung. Aber diese großartige Figur des Yank wird die Zeiten und Überschreibungen (also auch meine!) in aller ihrer Kraft überstehen.
Petra Gropp: Du hast mit dem Theater Leipzig zusammengearbeitet, Deine Erzählungen und Romane werden für die Bühne adaptiert. Bist Du ein Theatermensch?
Clemens Meyer: Erst seit 2009 beschäftige ich mich intensiv mit dem Theater, das hat vor allem mit Sebastian Hartmann zu tun, der hier in Leipzig von 2008 bis 2013 Intendant war. Da war hier eine Bewegung, ein Umbruch, das hatte eine Kraft und Energie, das hat mich dann irgendwann mitgerissen, und ich bzw. wir, denn am Theater ist es ja immer eine Gemeinschaftsarbeit, haben angefangen, Projekte zu entwickeln, für die Bühne, das sind Kontakte und Freundschaften entstanden, die dann zu neuen Projekten führten wie dem »Wallstone/Part IV« bei den Schillertagen in Mannheim, und bis heute andauern.