Interviews

Margareta Magnusson erklärt die Kunst des »döstädnings«

Die Schwedin Margareta Magnusson zeigt uns, wie man mit »döstädning« nicht nur sein Zuhause, sondern auch sein Leben »in Ordnung« bringen kann!

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben?
Ich bin in meinem Leben so oft umgezogen, dass ich in den letzten 40 Jahren mehr oder weniger ständig Haushaltsauflösungen durchgeführt habe. Ich habe meinen Besitzstand immer wieder verkleinert, und es hat mir viel Spaß gemacht. Heute bin ich in einem Alter irgendwo zwischen 80 und 100 Jahren, und ich dachte, wenn ich nicht jetzt darüber schreibe, wird es irgendwann zu spät sein.
Meine Tochter erzählte einem Freund aus der Verlagsbranche von meinen vielen Haushaltsauflösungen, und er fragte, ob ich nicht ein Buch darüber schreiben könne –  sieht so aus, als hätte ich es gekonnt.

Warum, glauben Sie, war es wichtig, dieses Buch zu schreiben?
Ich glaube, mein Buch wird vielen Leuten helfen. Besonders denen, die ihr Leben lang Dinge zusammengetragen und nie ernsthaft darüber nachgedacht haben, was aus all ihren Sachen einmal werden soll. Ich kenne viele alte Menschen, deren Dachboden und Keller mit Sachen vollgestellt sind, die sie nicht mehr brauchen, ja, an die sie sich nicht einmal mehr erinnern. Und ich kenne junge Leute, die auch schon anfangen, Dinge anzuhäufen. Sie alle sollten sich darüber Gedanken machen – sie sollten es schon jetzt tun!

Was genau ist döstädning?
Döstädning ist eine Methode, seine Wohnung oder sein Haus in Ordnung zu bringen. Es geht darum, nicht mehr Dinge zu besitzen, als man braucht oder jemals benutzen kann. Eine Bekannte von mir hatte zwölf Käsereiben. Sie hat sie nie benutzt, diese Käsereiben nahmen nur eine Menge Platz weg. Kein Mensch braucht zwölf Käsereiben. Döstädning bedeutet, dass man elf davon loswird. Dass man die Sachen ausrangiert, die man nicht mehr braucht, damit man Zeit und Platz hat, andere Dinge zu tun – als beispielsweise Käsereiben auszusortieren.

Wie würden Sie Ihr Buch zusammenfassen?
Ich wollte kein dickes Buch schreiben. Alte Leute wollen keine 400 Seiten lesen – dafür reicht vielleicht ihre Lebenszeit nicht mehr. Ich wollte ein kurzes und unterhaltsames Buch über ein wichtiges Thema schreiben – ein Thema, mit dem ich in den vergangenen 40 Jahren viel Vergnügen hatte. Die Auflösung meines Haushalts hat mir Freude bereitet und mir wunderbare Erinnerungen zurückgebracht. Es wäre schön, wenn es anderen Leuten – egal in welchem Alter sie sich befinden – genauso ginge wie mir.

An wen haben Sie beim Schreiben gedacht?
Ich glaube, mein Buch ist besonders gut für jeden über 40. Nicht, dass man mit 40 anfangen sollte, seinen Haushalt aufzulösen, aber man sollte spätestens dann anfangen, über seine Sammelgewohnheiten nachzudenken; mit 40 sollte man definitiv anfangen, sich zu organisieren. Aber man sollte auch nicht erst dann mit der Haushaltsauflösung beginnen, wenn Dachboden und Keller von Sachen überquellen, die man nicht braucht und die für Menschen, die einem nahestehen, eine Belastung sein könnten, wenn man einmal nicht mehr da ist.

Wie war es in Ihrer Kindheit und Jugend? Was für ein Verhältnis hatten die Leute damals zu ihren Sachen? Wie hat sich das verändert?
Heute haben die Leute mehr Hosen im Schrank, als sie jemals anziehen können; wir haben genug Jacken für sibirische Winter, und solche Unmengen an Schuhen, dass es selbst für einen Tausendfüßler zu viel ist. Als ich jung war, war das ganz anders. Wir haben unsere Sachen angezogen, bis sie abgetragen waren, und wenn ein Pullover durchgewetzt war, haben wir ihn durch einen neuen ersetzt und ihn getragen, bis auch er abgewetzt war. Als ich aufwuchs, gab es keine Marken, es gab keine Logos. Wenn wir Glück hatten, hatten wir das, was wir brauchten, mehr nicht. Die Menschen in den Industrieländern besitzen heute mehr, als sie brauchen, und das wird am Ende zum Problem.

Was ist Ihr wichtigster Ratschlag für jemanden, der sich heldenmutig entschlossen hat, bei sich selbst döstädning durchzuführen, oder gezwungen ist, dies für jemand anderen zu machen?
Ihr Heldenmutigen, die ihr euch entschlossen habt, bei euch selbst döstädning zu machen – ich grüße euch! Ihr werdet Spaß dabei haben, ihr werdet in Erinnerungen schwelgen und eine schöne Zeit erleben. Wenn es um döstädning geht, sage ich immer: Es kommt auf die Größe an. Fangt mit den sperrigen Sachen an, mit den Möbelstücken zum Beispiel, und hebt euch kleine Dinge wie Briefe und Fotos bis zum Schluss auf. Wenn ihr euch zuerst von den großen Sachen befreit, werdet ihr gleich am Anfang das Gefühl haben, große Fortschritte zu machen. Wenn ihr mit alten Briefen beginnt, werdet ihr euch festlesen und das Gefühl haben, nicht vom Fleck zu kommen. Fangt also mit den großen Sachen an!
Dasselbe gilt, wenn man döstädning für jemand anderen durchführen muss: Entledigt euch zuerst der sperrigen Sachen, dann habt ihr mehr Zeit, Briefe zu lesen. Die ihr am Ende natürlich wegwerft.

Was ist wichtig, wenn man sich entschlossen hat aufzuräumen?
Man sollte seinen Freunden und Bekannten sagen, was man vorhat. Man sollte ihnen vom döstädning erzählen. Dann werden sie sich nicht wundern, wenn sie angerufen und gefragt werden, ob sie eine Vase, einen Tisch oder ein Gemälde haben wollen, das Sie loswerden möchten. Vielleicht kommt der eine oder andere sogar vorbei, um Ihnen zu helfen. Aber darauf sollten Sie sich nicht verlassen.

Bücher über das dänische Phänomen Hygge hatten in letzter Zeit großen Erfolg. Warum, glauben Sie, interessieren sich so viele Leute überall auf der Welt dafür, wie die Skandinavier das Leben (und den Tod!) betrachten und damit umgehen?
Die Skandinavier haben einen hohen Lebensstandard. Wir haben eine hohe Lebenserwartung und sind halbwegs glücklich. Bei uns herrscht ein hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit. Vielleicht möchten die Menschen wissen, wie das möglich ist, bei unseren kalten und dunklen Wintern. Die Welt interessiert sich im Übrigen schon sehr lange für alle möglichen Kulturen (die amerikanische, britische, japanische thailändische, französische und so weiter). Dagegen ist nichts zu sagen, und vielleicht sind jetzt einfach mal wir an der Reihe.

Was ist Ihr Ratschlag für einen Menschen, der sich viel Mühe gegeben hat, sein Leben zu vereinfachen und seine Sachen in Ordnung zu bringen, die er einmal an Angehörige oder Freunde weitergeben möchte, dann aber feststellt, dass niemand das zwölfteilige Essservice haben will, weil alle in Zweizimmerwohnungen leben?
Man sollte nichts sammeln oder aufheben, um es an die nächste Generation weiterzugeben, wenn man nicht hundertprozentig sicher ist, dass der andere es haben möchte. Man sollte nur Sachen behalten, die einem selbst gefallen. Wenn Sie aber ein zwölfteiliges Essservice haben, das Ihre Kinder entsetzlich finden, sollten Sie es einer Hilfsorganisation schenken oder versuchen, es zu verkaufen. Geben Sie niemandem Dinge, die er nicht haben will. Punkt.

Sehen Sie Ähnlichkeiten zwischen Ihrem Buch und Marie Kondos Bestseller »Magic Cleaning. Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert«? Es handelt davon, wie man sein Leben vereinfacht und sich von Dingen befreit, die man nicht mehr haben möchte. Kondos Motto lautet: Behaltet nur die Sachen, die »Freude versprühen«. Hat Ihr Buch auch so ein Motto? Wie lautet es?
Mein Motto lautet: Wenn ihr es nicht liebt, weg damit. Wenn ihr es nicht benutzt, weg damit. Ich habe Kondos Buch nicht gelesen, aber ich werde es tun, wenn ich mit meinem döstädning fertig bin.

Was ist Ihr Rat für ältere Menschen und deren Kinder oder für Jüngere, die sich mit der Idee des döstädning nicht auseinandersetzen möchten oder Angst davor haben?
Ich würde ihnen, in aller Bescheidenheit empfehlen, mein Buch zu lesen. Das Buch hat meinen Kindern und mir geholfen, auf konstruktive Weise über den Tod zu sprechen. Ich habe versucht, ein Buch zu schreiben, das amüsant und heiter ist. Wenn man über schwierige Dinge liest und spricht, werden sie einfacher. Der Tod ist ein schwieriges Thema und wir sollten mehr darüber sprechen.

Sie sind eine Frau irgendwo »zwischen 80 und 100 Jahren«. Was sind die fünf Lieblingsbücher, die Sie nach all dem döstädning, das Sie durchgeführt haben, behalten haben?
»Die geheime Geschichte« von Donna Tartt
»Garp und wie er die Welt sah« von John Irving
»Mumin und das Meer« von Tove Jansson
Elena Ferrantes neapolitanische Romane
Alles über Blumen und Pflanzen

Haben Sie fünf Lieblingsalben oder Musikstücke?
Das Violinkonzert e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy
Die Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach, gespielt von Glenn Gould
Das Album »Abbey Road« von den Beatles
»What a wonderful world« von Louis Armstrong
Die »Gesammelte Filmmusik« von Lars Kumlin & Jonas Beckman

Gibt es fünf Lieblingsfilme oder Fernsehsendungen?
»Der rosarote Panther« ... oder eigentlich alles mit Peter Sellers
»Das Piano« von Jane Campion
»Jenseits von Afrika« von Sydney Pollack
»Downtown Abbey«
»Kobra«, die legendäre Kultursendung im schwedischen Fernsehen

Sie haben nicht nur dieses Buch geschrieben, Sie sind auch Künstlerin und haben lange als Werbegraphikerin und Malerin gearbeitet? Finden Sie immer noch Zeit zum Zeichnen und Malen?
Im Moment leider nicht. Ich bin zu sehr mit döstädning beschäftigt und damit, über mein Buch zu sprechen, als dass ich noch Zeit fände, zu zeichnen und zu malen. Nächstes Jahr schreibe ich ein neues Buch und werde dann hoffentlich auch wieder malen und zeichnen.

Ihr Buch wird weltweit in zwanzig Ländern erscheinen. Haben Sie damit gerechnet, als Sie angefangen haben, es zu schreiben? Wie geht es Ihnen damit?
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, ob sich die Leute für meine Methode des Aufräumens und Ordnung-Schaffens interessieren würden. Ich bin überrascht und sehr glücklich über dieses riesige Interesse. Wer hätte das gedacht! Ich hoffe wirklich, dass ich anderen helfen kann, sich zu organisieren und ihre Wohnung in Ordnung zu bringen. Mir geht es blendend! Aber ich bin wirklich verblüfft!

Sie erzählen in Ihrem Buch viele Geschichten und teilen viele Erinnerungen. Über wen oder was haben Sie besonders gern geschrieben?
Über meine Kinder zu schreiben hat mir großen Spaß gemacht. Ich habe ja so viele! Und auch die Erinnerungen an unsere Haustiere wiederaufleben zu lassen und von ihnen zu erzählen. Vor allem die Geschichte von Klumpeduns, unserer Katze. Ich mochte sie sehr – eine so eigenwillige Katze werde ich nie wieder haben.

Was war am schwierigsten?
Das Buch zu schreiben war überhaupt nicht schwer. Ich habe so häufig döstädning durchgeführt, dass es ein reines Vergnügen war, darüber zu schreiben. Meine Lektoren und meine Freunde waren mir eine große Hilfe, aber eigentlich war es nicht schwierig. Das einzig Schwere ist, so alt zu sein wie ich und nicht mehr so viel Energie zu haben wie früher. Aber dieses Buch zu schreiben hat mir enorm viel Energie geschenkt.

Margareta Magnusson

Margareta Magnusson

Sie ist die Expertin, wenn es um Döstädning geht, die Kunst, sein Leben in Ordnung zu bringen. Margareta Magnusson hat bei sich schon aufgeräumt und stand mit Rat und Tat vielen Freunden und ihren fünf Kindern zur Seite. Geboren wurde sie in einer Silvesternacht in Göteborg, zog 17 Mal um und wohnte auf der ganzen Welt. Nach eigener Aussage ist sie zwischen 80 und 100 Jahre alt. Sie studierte am Beckman’s College of Design in Stockholm und ihre graphischen Arbeiten wurden in zahlreichen Galerien weltweit ausgestellt.