Interviews

Nils Minkmar gibt Auskunft über Montaigne

Nils Minkmar hat als Journalist für fast jede große Zeitung Deutschlands geschrieben, vom Spiegel zur FAZ, von der Zeit zur Süddeutschen. Jetzt hat er seinen ersten Roman verfasst: über einen Philosophen, der sich nicht an Sternen und Göttern orientiert, sondern an seinem Leben und seiner Zeit. Voller Neugier entdeckt Minkmar, dass heute wie im 16. Jahrhundert vielleicht nur Entdeckerfreude, Katzen und Melonen uns zu retten vermögen. Im Interview spricht er über seinen Protagonisten, Michel de Montaigne, über Lebensfreude als Philosophie und die befreiende Erfahrung des Todes.

Autor und Journalist Nils Minkmar mit runder Brille, Dreitagebart und weißem Hemd und Anzugsakko vor einem hellen Hintergrund
© privat
Warum Montaigne?

Eine hoffnungslose politische Lage, ein Klima der Gewalt, religiöser Fanatismus und die kulturelle Herausforderung des alten Europas durch eine neue Welt – die Lage im Frankreich des Sommers 1584 weist viele Parallelen zur Gegenwart auf.

In dieser heute weitgehend vergessenen Epoche spielt mein Roman. Ich erzähle, wie der Philosoph und Bürgermeister von Bordeaux, Michel de Montaigne, plötzlich eine politische Rolle einnehmen muss und sich überlegt, wie er und seine Zeitgenossen aus dieser völlig düsteren Lage hinausfinden.

 

Wie trat Montaigne in ihr Leben?

Meine französischen Großeltern wohnten in Bordeaux, wo man dem Namen auf Schritt und Tritt begegnet. Irgendwann, kurz nach dem Abi, wollte ich mehr wissen und seitdem begleitet er mich. Dennoch entdecke ich, wenn ich die Essais lese, immer etwas Neues. Nie verreise ich, ohne den Band dabei zu haben. Es ist das Buch meines Lebens.

 

Essen und Lachen: Lebensfreude als philosophisches Prinzip?

Montaigne lebt in einem Zeitalter des religiösen Wahns. Überall geht es um den richtigen Weg ins Jenseits, das öffentliche Leben wird zum Fest des Todes. Montaigne und seine Verbündeten setzten dagegen auf Politik, Recht und die Freuden des Lebens.

 

Sein Leben war ein Gespräch mit einem Toten?

Der Tod seines besonderen Freundes Étienne de La Boétie ist das prägende Erlebnis seines Lebens. Von da an beginnt Montaigne nachzudenken, zu schreiben, geht auf Distanz zum Alltag und zu seiner Karriere – nichts war mehr wie zuvor. Die Erfahrung dieses Todes hat Montaigne befreit.

 

Gelingt die Mission, Frankreich einen besseren König zu schenken?

Wenn man heute einen beliebigen Franzosen nachts weckt und fragt, wer der beste von allen Königen war, wird die Antwort ziemlich sicher Henri Quatre lauten. Er steht für das Ende der Bürgerkriege, eine menschlichere Justiz, eine prosperierende Wirtschaft und den beginnenden Sozialstaat. Ich glaube, so hat Montaigne ihn auch motiviert: Du wirst der Beste sein!

Nils Minkmar, 1966 in Saarbrücken geboren, hat einen deutschen und französischen Pass. Seine Großeltern lebten in Bordeaux. Er war Redakteur für die ZDF-Sendung »Willemsens Woche« und schrieb für beinahe alle wichtigen deutschen Zeitungen: »Die Zeit«, »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«, »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »Der Spiegel«. Seit 2020 ist er freier Autor ...

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»Ein großer Roman über einen großen Denker« Ulrich Wickert

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