Als Franz Kafka am 3. Juni 1924 starb, wusste die Welt wenig mehr, als dass ein hochtalentierter Prager Schriftsteller nun im österreichischen Kierling in einem kleinen Sanatorium seinem etliche Jahre andauernden Tuberkuloseleiden erlegen war. Er war der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, bei Schriftstellerkollegen wie Rainer Maria Rilke und Robert Walser sowie bei seinen Prager Freunden, allen voran bei Max Brod, war er jedoch sehr hoch angesehen und galt als aussichtsreiche literarische Hoffnung, da er eine ganz eigenwillige, gänzlich moderne Stimme in die Literatur eingeführt hatte. Franz Kafka hatte aber bis zu seinem Tod lediglich ein paar verstreute Erzählungen und Parabeln, wenige als Buchpublikation, die meisten nur in Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht, dazu drei Erzählsammlungen: 1912 Betrachtung, 1920 Ein Landarzt und zuletzt in seinem Todesjahr 1924 Ein Hungerkünstler. Keiner jedoch kannte die heute berühmten Romane Der Verschollene, Der Proceß und Das Schloß, keiner kannte die aufwühlenden und als Hauptwerk Kafkas geltenden Tagebücher und Briefe, deren postume Entdeckung und Veröffentlichung den Grundstein für seinen unsterblichen Weltruhm legten. Kafka war damals noch eine Stimme unter vielen: ein klassischer writer’s writer.
Die Neue Rundschau im S. Fischer Verlag hatte 1922 die Erzählung Ein Hungerkünstler vorabgedruckt. Rudolf Kayser war seit 1919 Lektor im Verlag und für die Neue Rundschau verantwortlich. Aus seinem Nachruf sprechen Respekt und Zuneigung, er vermittelt aber auch etwas von der magischen Ausstrahlung, die Franz Kafka umgab.
Sebastian Guggolz,
Herausgeber der aktuellen Ausgabe der Neuen Rundschau